Glas, Dose oder PET?
Aus dem Fass schmeckt Bier besser, hört man bisweilen: Oder: Bier aus der PET-Flasche? So eine Plörre trink ich nicht. Da schmeckt man doch das Plastik. Aber stimmt das überhaupt? Hat das Gebinde Einfluss auf den Geschmack des Bieres? Dieser Frage sind wir in einem Blindtest nachgegangen. In einem Restaurant und in einer Gasthausbrauerei haben wir vier verschiedene Biere aus vier unterschiedlichen Gebinden verkostet. Das Ergebnis hat uns überrascht.
Der Abend beginnt im Barist, einem italienischen Restaurant am Hackeschen Markt in Berlin. Touristengegend, aber in fein. Ansprechendes Interieur, das Essen sieht gut aus. Probiert haben wir es allerdings nicht. Uns interessieren nur die Biere. Wir haben das Barist ausgesucht, weil es zwei Marken am Hahn hat, die auch in verschiedene Gebinde abgefüllt werden: Holsten Pilsener und Erdinger Weißbier. Außerdem ist es kein Bierfachgeschäft, sondern ein normales Restaurant. Und uns hat auch interessiert, wie hier die Qualität gezapfter Biere ist. Die Biere, die nicht vom Fass kommen, haben wir vorher in den Kühlschrank gestellt, um sie auf die Temperatur des Fassbieres zu bringen.
Temperatur und Kohlensäuregehalt
Wir beginnen mit dem Holsten. Der Kellner schenkt es vom Fass, aus der Flasche und aus der Dose in drei Gläser. Wir warten derweil im Nebenraum. Eigentlich sollte auch eine PET-Flasche dabei sein. Aber wir sind zu spät dran. Carlsberg Deutschland füllt Holsten nicht mehr in PET-Flaschen. Die Dose sei die Zukunft, erklärt man uns. Verdammt. Dann muss als PET-Referenzbier ein Perlenbacher Pils von Lidl herhalten. Gebraut im Frankfurter Brauhaus. Kostet 29 Cent der halbe Liter. Das Perlenbacher kommt ins vierte Glas. Als wir uns wieder an unsere Plätze setzen, hat jeder von uns vier Gläser mit einer hellgoldenen Flüssigkeit vor sich stehen. Unter jedem Glas liegt ein Zettel, auf den der Kellner den Namen des Gebindes geschrieben hat. Los geht’s.
Jeder probiert zunächst alle vier Biere für sich durch und macht sich Notizen. Danach besprechen wir uns. Keines der Biere hat ein Fehlaroma. Von Plastik- oder Dosengeschmack keine Spur. Auch sticht das Perlenbacher nicht heraus. Es gelingt uns nicht, eindeutig ein Bier zu identifizieren, dass sich geschmacklich von den anderen dreien unterscheidet – weder, weil es von einer anderen Brauerei nach einem anderen Rezept gebraut noch weil es in eine PET-Flasche abgefüllt wurde. Wir haben den Eindruck, dass das Bier im ersten Glas etwas weniger rezent ist als die anderen. Dafür ist das Bier im vierten Glas rezenter. Zudem scheint es etwas kälter zu sein als die anderen. Noch einmal probieren wir alle vier Biere durch. Doch auch weiterhin besteht der einzige, deutlich zu erkennende Unterschied in der Temperatur und dem Kohlensäuregehalt in Glas 4. Wir tippen darauf, dass dieses Bier das Fassbier ist. Ist es auch, wie sich beim Umdrehen des Zettels zeigt. Ansonsten hat jeder seine Meinung dazu, welches der drei übrigen Biere das Perlenbacher ist. Als wir die Zettel umdrehen, zeigt sich: Keiner von uns hatte recht. Wir sind einigermaßen überrascht.
PET-Flaschen beeinflussen den Geschmack des Bieres nicht
Das Bier im Glas 1, das uns etwas weniger rezent vorkam, stammt aus der Dose. Wir resümieren: Manche Brauer haben Angst, dass die Gastronomie ihr Bier nicht so ausschenkt, wie es sie es sich wünschen. Mit Liebe gebraut, in der Kneipe versaut, lautet ein passender Spruch dazu. Hier trifft das nicht zu. Die Schankanlage im Barist stammt von Holsten, wie uns Geschäftsführer Oliver Rettenberger erklärt. Alle 14 Tage wird sie von einer darauf spezialisierten Firma komplett gereinigt, die Mitarbeiter des Barist reinigen die Zapfhähne zudem täglich. Auch Carlsberg Deutschland erklärt uns, dass man regelmäßig Gastronomiebetriebe besuche und Analysen der Schankanlagen durchführe. „Bei Abweichungen leisten wir Aufklärungsarbeit“, sagt Christoph Boneberg von Carlsberg. Mit einem neuen System, dem DraughtMaster, würden zudem Reinigungsintervalle technisch vorgegeben. Der Gastronom könne nicht ausschenken, wenn er die Intervalle nicht einhalte. Darüber hinaus werde das Bier nicht mit Fördergasen wie CO2 transportiert, sondern das PET-Fass, in dem sich das Bier befindet, liege in einer Druckluftkammer, die zusammengepresst werde.
Im Barist liegt der Zapfdruck bei 2,4 bar, die Trinktemperatur beim Ausschank bei 6 °C. Alles ganz normal. Dennoch schmeckt das Bier anders als aus den anderen Gebinden. Fazit: Der CO2-Gehalt und die Temperatur haben einen deutlichen Einfluss auf den Biergeschmack. Die übrigen Gebinde jedoch nicht. Sowohl Dosen als auch PET-Flaschen sind heute so beschichtet, dass sie den Geschmack des Bieres nicht beeinflussen. „Bei Dosen und Dosendeckeln werden spezielle Lacke verwendet, die einen Kontakt zwischen dem Metall und dem Produkt verhindern“, erklärt Boneberg. Und schließlich: Die Rezepte (zumindest der hier verkosteten) industriell hergestellter Pilsbiere unserer Zeit haben sich so weit angenähert, dass es im Blindtest schwer ist, Unterschiede zwischen den Marken festzustellen.
Der Blindtest des Erdinger Weißbiers aus der Flasche und aus dem Fass hat die Erkenntnisse zu Temperatur und CO2-Gehalt bestätigt. Hinzu kommen hier die Unterschiede durch die im Glas enthaltene Hefe. Wir hatten das Gefühl, dass das Bier aus der Flasche trüber ist, dass es mehr Hefe anhalten hat als das Fassbier und dass das Mundgefühl insofern dichter und angenehmer ist.
Craftbiere aus Fass und Flasche unterscheiden sich deutlich
Weiter geht es im neu eröffneten Brauhaus am Alex, dem dritten Berliner Standort vom Brauhaus Lemke. Hier probieren wir im Blindtest, jeweils sowohl aus der Flasche und vom Fass, zunächst ein Lemke Wiener Lager und im Anschluss ein Lemke IPA. Und auch hier sind wir überrascht. Denn in beiden Fällen unterscheiden sich die Biere recht deutlich voneinander. Beim Wiener Lager ist das Bier im Glas 1 geschmacksstärker, es riecht malziger und kräftiger. Das Bier im Glas 2 ist trüber, zudem weniger geschmacksstark. Und es ist kälter als das Bier im Glas 1. Wie sich herausstellt, ist das kältere Bier erneut das Fassbier. Es wird bei 5 bis 7 °C gezapft, wie uns Geschäftsführer Oliver Lemke erklärt. Wir stellen fest: Die Temperatur hat auch hier einen deutlichen Effekt auf den Geschmack des Bieres.
Beim IPA haben wir das Gefühl, dass das Bier im Glas 2 stärker nach grünem, grasigem Hopfen riecht und schmeckt, dass es schlanker und auch heller ist als das Bier im Glas 1. Das Bier im Glas 1 riecht und schmeckt hingegen malziger und fruchtiger. Beide Biere sind ziemlich gut. Beide schmecken aber auch ziemlich unterschiedlich. Wir können aber durch die Unterschiede nicht rückschließen, welches Bier aus der Flasche kommt und welches vom Fass. Wir rätseln, ob beide Biere aus derselben Charge stammen könnten und der unterschiedliche Geschmack sich durch die unterschiedlichen Gebinden ergibt. Wir vermuten aber, dass die beiden Biere aus zwei unterschiedlichen Chargen stammen und deshalb nicht gleich schmecken. Beides könnte möglich sein, sagt Oliver Lemke.
Interessant ist beim Craftbier, dass sich die Biere vom Fass und aus der Flasche recht deutlich voneinander unterscheiden – nicht nur durch die Temperatur. Beim Wiener Lager ist das Fassbier trüber, beim IPA ist wahrscheinlich die eine Charge hopfiger und die andere malziger geraten, die wir probiert haben. Das wäre ein gutes Zeichen. Denn bei Craftbier geht es ja gerade darum, dass nicht jedes Bier genauso schmeckt wie das andere. Das ist eines der Merkmale, die es vom industriell hergestellten Bier unterscheidet. Diesen Unterschied konnten wir heute erkennen.
Peter Eichhorn, Falk Osterloh, Alexander Sperr, Rainer Wallisser