Zu extrem, um Bier genannt zu werden?
In der Rubrik Biere und ihre Geschichte hat B&B-Stilexperte Alexander Sperr in den vergangenen Jahren einige der großen Biere dieser Welt präsentiert – Biere, die Stile prägten, Rezepte revolutionierten oder auch nur besonders schwer zu bekommen waren. In der Winterausgabe des Jahres 2016 ging es um die Geschichte eines der berühmtesten Double IPAs der USA.
Zu extrem, um Bier genannt zu werden? So wird bei ratebeer.com und untappd in der Beschreibung dieses Tropfens gefragt. Um das Urteil gleich vorweg zu nehmen: natürlich nicht. Das findet Dogfish Head. Und das finde auch ich.
Vor neun Jahren, im September 2007, lernte ich bei den Haus- und Hobbybrauertagen in Cunewalde einen freundlichen Hobbybrauer kennen, der ein paar Spezialitäten aus den USA im Gepäck hatte. Unvergesslich bleiben mir drei IPAs der Dogfish Head Brewery: das 60 Minute IPA, das 90 Minute IPA und der Heilige Gral für Hopheads: das 120 Minute IPA. Die Meinungen am Tisch gingen weit auseinander. Bezüglich der Trinkbarkeit war das 60 Minute natürlich ganz vorn. Ich mochte die anderen beiden lieber. Alle drei waren aber etwas ganz Besonderes, vor allem wenn man bedenkt, dass Deutschland im Jahr 2007 eine IPA-Wüste war. Ich hatte damals noch nicht viele IPAs getrunken. Mein erstes überhaupt hatte ich mir knapp zwei Jahre vorher selbst brauen müssen; kaufen konnte man im Grunde keines. Und schon gar keines, bei dem so exzessiv amerikanischer Hopfen verwendet wurde.
Es wird nicht jedem schmecken
Was ist das nun für ein Bier, das es immerhin auf 99 Punkte bei ratebeer.com bringt? Die wichtigsten Daten liefert die Brauerei selbst: Eine angebliche Stammwürze von 45 °P trifft auf (vermutlich rechnerische) 120 IBU. Seit es 2003 auf dem Markt gekommen ist, hat sich der Alkoholgehalt von 21 auf 18 Volumenprozente im Jahr 2009 reduziert. Die einzelnen Chargen scheinen zu schwanken, auf der Homepage der Brauerei steht 15 bis 20 % Vol. Der Name des Biers resultiert allerdings nicht aus den IBUs, sondern aus der Kochdauer von 120 Minuten, während der kontinuierliche Hopfengaben mit amerikanischen Hochalphasorten erfolgen. Im Verlauf der Gärung wird innerhalb eines Monats täglich hopfengestopft. Anschließend reift das Bier für einen weiteren Monat auf Hopfendolden.
Sam Calagione, der Gründer der Brauerei, hat also alles getan, um ein Bier der Extraklasse zu kreieren. Es ist süß, es ist bitter, es ist alkoholisch, es ist komplex – und es wird nicht jedem schmecken. Für Anfänger ist es sicher gar nicht geeignet, aber wer gut gemachte Imperial IPAs mag, wird gewiss seine Freude haben. Leider blieb es bei mir bisher nur bei der einen oben beschriebenen Kostprobe, die Dogfish Head-Biere sind hierzulande noch schwerer zu bekommen als Westvleteren 12. Wer eine Bezugsquelle findet, möge sich bitte an mich wenden.
Alexander Sperr