Frage des Quartals. Alterungsprozesse

Zwei Wissenschaftler erklären, welche biochemischen Vorgänge bei Alterungsprozessen im Bier ablaufen.
Set of beer bottles with drops isolated on white background

Wie altert Bier?

Viele Biertrinker glauben, nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums könne ihr Bier verderben. Tatsächlich verdirbt Bier jedoch nach dessen Ablauf im eigentlichen Sinne nicht, sondern es verändert im Zuge seines Alterungsprozesses lediglich sein Aromaprofil. Julia Wannenmacher und Arndt Nobis vom Lehrstuhl der Brau- und Getränketechnologie der Technischen Universität München in Freising erklären, was dabei im Bier genau passiert.

Welche biochemischen Vorgänge spielen sich im Rahmen des Alterungsprozesses im Bier ab und wie verändert sich der sensorische Eindruck dabei?

Bier ist das beliebteste alkoholhaltige Getränk in Deutschland. Von vielen Bundesbürgern wird es gerne auf Vorrat gekauft und eingelagert, obwohl es sich im Gegensatz zum Wein eigentlich um ein Frischeprodukt handelt. Ab dem Zeitpunkt der Abfüllung verändern sich Aroma und Geschmack eines Bieres stetig durch verschiedene biochemische Prozesse. Auch wenn dies sensorisch über einen längeren Zeitraum nicht erkennbar ist, beginnt der Alterungsprozess bereits unmittelbar nach der Abfüllung des Bieres.

Im frisch abgefüllten Bier liegt prinzipiell ein thermodynamisch geschlossenes Modellsystem vor. Trotzdem bietet Bier aufgrund seiner Inhaltsstoffe und in Abhängigkeit von den Lagerbedingungen das Potenzial für weitere Reaktionen, die den sensorischen Eindruck im Laufe der Lagerung verändern können.

Die Bittere nimmt ab

Im Wesentlichen ist Bier eine 5-prozentige ethanolische Lösung in Wasser mit einem pH- Wert von circa 4,2, in der zahlreiche organische und anorganische Verbindungen wie Zucker, Aminosäuren, Mineralstoffe oder Hopfenbitterstoffe gelöst sind. Während des Brauprozesses werden durch verschiedene thermische Prozessschritte wie das Würzekochen sowie während der Fermentation verschiedene reaktive Precursorverbindungen gebildet. Diese reagieren auf vielfältige Weise weiter und können damit sowohl das Stoffsystem im Lebensmittel Bier als auch dessen Geschmack verändern. Als Precursor bezeichnet man ein Molekül, das im Laufe einer Synthese mit anderen Molekülen zu einem neuen Produkt weiterreagiert.

Jede Biersorte ist stofflich sehr komplex und individuell zusammengesetzt. Deshalb lassen sich nur schwer allgemeine Aussagen über die Alterungsstabilität treffen. Es gibt jedoch einige biochemische Reaktionen auf molekularer Ebene, die grundsätzlich von Bedeutung sind. Nach zahlreichen Forschungsarbeiten veröffentlichte Dalgliesh bereits im Jahr 1977 ein sensorisches Modell für helle Lagerbiere, in dem einige Reaktionen der Bieralterung beschrieben wurden. Allgemein nimmt während der Alterung die Bittere des Bieres ab, wobei zugleich süße und karamellige Aromen zunehmen. In der fortgeschrittenen Alterungsphase dominieren dann muffige Eindrücke, die bei stark gealtertem Bier sogar in Sherrynoten übergehen können.

Carbonylverbindungen führen zu muffigem Charakter

Die Abnahme der Bittere ist biochemisch auf den Zerfall der beim Würzekochen gebildeten iso-alpha-Säuren zurückzuführen, die dominierend für den Bittergeschmack im Bier verantwortlich sind. In Folge des Zerfalls fungieren die iso-alpha-Säuren als Elektronendonatoren und bilden durch weitere Abspaltungsreaktionen Precursorverbindungen, die wiederum zu Alterungsaromastoffen, vor allem Carbonylen, weiterreagieren können.

Der muffige, auch als oxidiert bezeichnete Charakter eines gealterten Bieres ist größtenteils auf die Bildung solcher Carbonylverbindungen zurückzuführen. Hierfür gibt es mehrere mögliche Reaktionswege. Beispielsweise ist die Bildung im Rahmen der Fettsäureoxidation aus Linol- und Linolensäure möglich. Dabei spielen sowohl Lichteinwirkung, Sauerstoffkonzentration als auch die thermische Belastung des Bieres während der Alterung eine Rolle. Die Bildung von Carbonylverbindungen ist aber auch über Reaktionen wie die Aldolkondensation, eine Additionsreaktion von Aldehyden und Ketonen, oder über den bereits erwähnten Zerfall der Hopfenbittersäuren möglich. Einen Beitrag zum süßen Aromaeindruck liefern gebildete Ester wie Ethylcinnamat und Gamma-Nonalakton.

Lagertemperatur hat entscheidenden Einfluss

Karamellige oder röstige Aromen werden eher im Verlauf der Maillardreaktion gebildet. Hierbei sind vor allem heterozyklische Komponenten wie Furane, Furanone oder Pyrazine von Bedeutung. Auch in diesen Verbindungsklassen unterscheiden sich Einzelkomponenten stark in ihren Aromaschwellen und Bildungsraten und liefern somit einen unterschiedlichen Beitrag zum Alterungsgeschmack.

Entscheidende Faktoren für den Verlauf des Alterungsprozesses sind die Lagertemperatur (da sich die Kinetik biochemischer Reaktionen generell bei steigender Temperatur stark beschleunigt), der Sauerstoffeintrag während des Brauprozesses (da Sauerstoff als oxidierender Faktor im Bier wirkt) und die individuelle stoffliche Zusammensetzung des Bieres.

Arndt Nobis, Julia Wannenmacher

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