Deutsche Bierklassiker auf amerikanische Art

Pils und Märzen American Style
Die Amerikaner haben ihre Craftbier-Kultur unter anderem unter Rückgriff auf klassische deutsche Stile begründet, die sie auf ihre Weise interpretierten. B&B-Stilexperte Alexander Sperr hat sich genau angeschaut, wie sie dabei vorgegangen sind.
© Anchor Steam Brewery

Die Amerikaner haben ihre Craftbier-Kultur unter anderem unter Rückgriff auf klassische deutsche Stile begründet, die sie auf ihre Weise interpretierten. In dieser Ausgabe schaut sich unser Stilexperte Alexander Sperr genau an, wie sie dabei vorgegangen sind.

Die Amis machen alles irgendwie anders, auch Bier. Während es lange Zeit keinem Brauer im Traditionsbierland Deutschland eingefallen wäre, sich an ausländischen Biertypen zu versuchen, werden in den USA schon seit längerem klassische Stile aus anderen Ländern gebraut und dabei oft auf eigene Art interpretiert. Mit der großen Zahl an Einwanderernationen kamen natürlich auch viele unterschiedliche Bierkulturen in ein Land, das vorher keine besondere hatte – obwohl es sicher auch bei den amerikanischen Ureinwohnern vergorene „Getränke“ auf Maisbasis oder Vergleichbares gab.

Viele US-Interpretationen wurden in dieser Rubrik auch schon besprochen, zum Beispiel das amerikanische IPA im Gegensatz zum englischen, ebenso das amerikanische Stout. Diesmal sollen ausschließlich die Interpretationen klassischer deutscher Sorten besprochen werden, Pilsner zähle ich ausnahmsweise einmal dazu. Eine Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass es kaum feste Definitionen gibt – außer dem Classic American Pilsner ist in denGuidelines des Beer Judge Certification Program (BJCP) nichts zu finden. Immerhin gibt es eine Stilliste des World Beer Cup 2016, in der beschrieben ist, wie die Biere für diesen Wettbewerb zu sein haben.In der 2014er-Version war allerdings beispielsweise das American-Style Märzen nicht vertreten, Weizen gab es nur mit oder ohne Hefe, nach hell und dunkel wurde nicht unterschieden. Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass die US-Varianten eben meist etwas kräftiger und etwas hopfenbetonter sind als ihre Vorbilder. Die Wahrheit ist aber wie so oft komplizierter.

Amerikanisches Pilsner (Classic American Pilsner)

Firestone Walker Pivo Pils


Das amerikanische Pilsner ist keine neue Erfindung der Craftbier-Welle, sondern ein klassischer Stil, den schon die deutschen Einwanderer mit den in Amerika verfügbaren Zutaten brauten (6-zeilige Gerste, Mais, Reis, amerikanische Hopfensorten). Der Stil starb mit der Prohibition aus und wurde erst über die Hobby- und Gasthausbrauereiszene wiederbelebt. In Geruch und Geschmack ist es getreidig, allerdings weniger intensiv als europäische Pilsner, da bis zu 30 Prozent Malzersatzstoffe (Maisflocken, Reis) verwendet werden.

Biere mit hohem Reisanteil sind deutlich trockener, bei maisbasierten Bieren fällt eine maisartige Süße auf. Hopfenaroma und -geschmack stammen aus Edelhopfensorten; Fruchtnoten, Diacetyl und Dimethylsulfid sind unüblich. Die Bittere soll sauber sein und nicht nachhängen, Hopfengaben in die Vorderwürze oder beim Ausschlagen sowie späte Hopfengaben bewirken kräftigen Hopfengeschmack und starkes Hopfenaroma. Vollmundigkeit ist vorhanden, die Biere sollten aber keinen zu kräftigen Körper besitzen. Moderne amerikanische Aromahopfensorten wie Cascade, Citra oder Amarillo werden im klassischen amerikanischen Pilsner nicht eingesetzt. Vielleicht wäre ein Versuch lohnenswert.

Hefe: untergärige Hefe
Stammwürze: 11–15 °P
Restextraktgehalt: 2,5–4 °P
Hopfenbittere: 25–40 IBU, moderat bis herb
Hopfenaroma: deutlich bis kräftig
Vollmundigkeit: gering bis moderat
Rezenz: spürbar
Fruchtester: keine
Bierfarbe: 6–12 EBC, gelb bis golden
Alkohol: 4,5–6 Vol.-%

Die obige Beschreibung wurde schon einmal in der B&B veröffentlicht, als es ums Pils ging. Die Sorte nimmt vielleicht eine Sonderrolle ein, da sie in den BJCP-Guidelines detailliert beschrieben ist. Kommerzielle Beispiele hatte ich damals nicht aufgeführt, da ich keine breit verfügbaren Biere kenne, die hier passen würden. Interessant ist aber, was amerikanische Brauereien an Pilsner Bieren anbieten. Die nachfolgend genannten sind meiner Meinung nach dichter am deutschen als am amerikanischen Pils. Oft sind sie mit deutschen oder europäischen Hopfensorten gebraut, zudem sind sie ami-typisch ordentlich bitter und sehr hopfenaromatisch, teilweise sind sie kaltgehopft: Firestone Walker Pivo Hoppy Pils, Victory Prima Pils, Deschutes Pine Mountain, Schell’s Pilsener, Samuel Adams Kick Back Pils, Lagunitas Pils.

Folgende Beschreibungen erfolgen in Anlehnung an die schon erwähnte Stilliste des World Beer Cup 2016, im Original zu finden unter: http://www.worldbeercup.org/wp-content/uploads/2015/10/16_WBC_Style_Guidelines_Final.pdf

American-Style Märzen / Oktoberfest

Left Hand Brewing Oktoberfest


Zum klassischen deutschen Märzen beziehungsweise Oktoberfestbier unterscheidet sich die amerikanische Variante tatsächlich vor allem durch etwas mehr Hopfencharakter. Das Farbspektrum ist groß: von gold bis rotbraun, die Biere sollten nicht trüb sein. Die reine und klare Hopfenbittere sollte nicht hart oder gar nachhängend sein, sondern vom süßlichen Malzcharakter in Zaum gehalten werden. Die Malznoten sollten – falls überhaupt – nur wenig karamellig oder gar röstig, allenfalls etwas brotartig riechen und schmecken.

Trotz des gegenüber dem deutschen Vorbild kräftigeren Hopfenaromas darf dieses nicht überwiegen. Auch der Hopfengeschmack sollte auf geringem bis mittlerem Niveau bleiben. Der Körper der Biere ist weder schlank noch mastig, die Rezenz moderat. Durch Verwendung untergäriger Hefe bei niedrigen Gärtemperaturen sollten Fruchtester ausgeschlossen sein. Diacetyl ist unerwünscht.

Hefe: untergärige Hefe
Stammwürze: 12,4–14,7 °P
Restextraktgehalt: 3–5 °P
Hopfenbittere: 20–30 IBU, ausgewogen
Hopfenaroma: gering bis mittel
Vollmundigkeit: gering bis moderat
Rezenz: moderat
Fruchtester: keine
Bierfarbe: 8-30 EBC, gold bis rotbraun
Alkohol: 5,1–6 Vol.-%

Kommerzielle Beispiele: Ninkasi Oktoberfest, Gordon Biersch Märzen, Left Hand Oktoberfest, Sudwerk Fest Harvest Lager, Samuel Adams Oktoberfest

American-Style Wheat Beer


Für den World Beer Cup 2016 werden vier unterschiedliche Typen an amerikanischen Weizenbieren genannt: hell und dunkel, jeweils einmal mit und ohne Hefe. Die große Überraschung für mich ist die Einordnung bei den Hybrid / Mixed Styles, es ist also sowohl die Verwendung ober- als auch untergäriger Hefe gestattet.

Light American Wheat Beer (ohne Hefe)


Die Farbe rangiert von hellem strohgelb bis hellbernsteinfarben. Da keine Hefe mit abgefüllt wird, sind die Biere in der Regel klar, etwas Kältetrübung ist aber gestattet. Geringe Mengen Fruchtester sind riech- und schmeckbar, ebenso etwas Malzaroma und -geschmack. Phenolische Noten nach zum Beispiel Gewürznelken sind im Gegensatz zu den deutschen Weizenbieren unerwünscht. Diacetyl sollte nicht vorhanden sein, Hefe sollte nach Möglichkeit weder zu riechen noch zu schmecken sein. Das Hopfenaroma und die Bittere bewegen sich zwischen gering und mittel. Eine gewisse Malzsüße kann vorhanden sein, der Körper ist aber oft sehr schlank bis mittel. Ein Mindestanteil von 30 Prozent Weizenmalz soll verwendet werden.

Hefe: untergärige oder obergärige Hefe (keine Weizenbierhefe)
Stammwürze: 9–12,4 °P
Restextraktgehalt: 1–4,1 °P
Hopfenbittere: 10–35 IBU, gering bis mittel
Hopfenaroma: gering bis mittel
Vollmundigkeit: sehr gering bis mittel
Rezenz: spürbar
Fruchtester: wenig
Bierfarbe: 4-20 EBC, helles strohgelb bis hellbernstein
Alkohol: 3,8-5,1 Vol.-%

Light American Wheat Beer (mit Hefe)

Die Beschreibung deckt sich zum größten Teil mit der obigen Beschreibung, Unterschiede werden lediglich durch die Hefe verursacht: Der Typ mit Hefe ist hell bis hellbernsteinfarben, ist also in der Regel etwas dunkler als die Variante ohne Hefe und kann durch die Hefe trüb bis sehr trüb sein. Dadurch darf auch etwas Hefe zu riechen und zu schmecken sein, sie darf allerdings keinesfalls den Malz- und den Hopfencharakter überdecken. Hefebedingt ist ein etwas volleres Mundgefühl erwünscht, und die Biere dürfen auch etwas kräftiger sein.

Hefe: untergärige oder obergärige Hefe (keine Weizenbierhefe)
Stammwürze: 9–13,8 °P
Restextraktgehalt: 1,5–4,6 °P
Hopfenbittere: 10–35 IBU, gering bis mittel
Hopfenaroma: gering bis mittel
Vollmundigkeit: mittel bis voll
Rezenz: spürbar
Fruchtester: wenig
Bierfarbe: 8-20 EBC, hell bis hellbernsteinfarben
Alkohol: 3,5-5,6 Vol.-%

Kommerzielle Beispiele: Lagunitas A Lil Sumpin’ Sumpin’ Ale, Harpoon Hefeweizen, Samuel Adams Summer Ale

Dark American Wheat Beer (ohne Hefe)

Die dunklen amerikanischen Weizenbiere sind mittel-bernsteinfarben bis dunkelbraun und sollten abgesehen von möglichen Kältetrübungen klar sein. Der Malzcharakter kann sowohl Röstnoten als auch Geruch und Geschmack nach Kakao, Karamell oder Toffee enthalten. Geringe Mengen Fruchtester sind typisch, Malzaroma und -geschmack sind eher gering. Phenolische Noten sind auch hier unerwünscht, typische Weizenbierhefen sind also ungeeignet. Diacetyl und Hefe sollten nicht bemerkbar sein. Hopfenaroma und -geschmack sowie Bittere sind gering bis mittel, eine gewisse Malzsüße ist üblich. Adstingierende Eindrücke vom Röstmalz sollten auf jeden Fall über die Malzsüße ausgeglichen werden. Der Körper der Biere ist schlank bis mittel.

Hefe: untergärige oder obergärige Hefe (keine Weizenbierhefe)
Stammwürze: 9–12,4 °P
Restextraktgehalt: 1,0–4,1 °P
Hopfenbittere: 10–25 IBU, gering bis mittel
Hopfenaroma: gering bis mittel
Vollmundigkeit: schlank bis mittel
Rezenz: spürbar
Fruchtester: wenig
Bierfarbe: 18-44 EBC, mittel-bernsteinfarben bis dunkelbraun
Alkohol: 3,8-5,1 Vol.-%

Dark American Wheat Beer (mit Hefe)

Anchor Winter Wheat

Auch hier sind die Unterschiede zur klaren Variante vor allem durch die Hefe bedingt: trüb bis sehr trüb, etwas Hefe darf zu riechen und zu schmecken sein. Sie darf aber auch beim dunklen Typ nicht den Malz- und den Hopfencharakter überdecken. Hefebedingt ist ein etwas volleres Mundgefühl erwünscht.

Hefe: untergärige oder obergärige Hefe (keine Weizenbierhefe)
Stammwürze: 9–12,4 °P
Restextraktgehalt: 1,0–4,1 °P
Hopfenbittere: 10–25 IBU, gering bis mittel
Hopfenaroma: gering bis mittel
Vollmundigkeit: schlank bis mittel
Rezenz: spürbar
Fruchtester: wenig
Bierfarbe: 18-44 EBC
Alkohol: 3,8-5,1 Vol.-%

Kommerzielle Beispiele: Anchor Winter Wheat, Mayflower Autumn Wheat Ale, Peak Organic Winter Session Ale

Alexander Sperr

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