Kann man mit Hefe aus jahrhundertealtem Bier brauen?

Ein US-Brauer sagt, er habe ein Bier mit einer Hefe gebraut, die er aus einer 133 Jahre alten Bierflasche extrahiert hat. Aber geht das überhaupt? Ein deutscher Hefeexperte sagt: Nein.
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Kontroverse um Bier aus Schiffswrack

Der Brauer und Hobbytaucher Jamie Adams aus den USA hat bei einem Tauchgang 133 Jahre alte Bierflaschen in einem Schiffswrack entdeckt. Er hat die Hefe aus dem Bier extrahiert und mit ihr ein neues Bier gebraut. Sagt er. Aber kann man überhaupt mit einer so alten Hefe ein Bier brauen? Deutschlands führender Hefeexperte meint: Nein.

Die SS Oregon versank im Jahr 1886 auf ihrer Fahrt von Europa in die USA kurz vor der nordamerikanischen Atlantikküste – zusammen mit zahlreichen Bierflaschen. Wie das ZDF im März berichtete, hätten Jamie Adams, Besitzer der Saint James Brewery auf Long Island, und sein Team mehrere dieser alten Flaschen bei Tauchgängen geborgen. Mithilfe eines Mikrobiologen habe Adams die den Bieren entnommene Hefe in Reagenzgläsern gezüchtet und mir ihr dann ein Bier gebraut, das er „Deep Ascent“ nannte. In dem Bericht wird Adams mit den Worten zitiert, sein Bier sei eine „Nachbildung dessen, was 1886 auf dem Schiff serviert wurde“.

Aber kann man überhaupt eine so alte Hefe wiederbeleben? „Nein“, sagt Prof. Dr. Gerolf Annemüller, emeritierter Professor der Humboldt Universität in Berlin und Autor verschiedener Standardwerke über die Hefe in der Brauerei. „Befindet sich die Hefe über einen so langen Zeitraum in einer geschlossenen Bierflasche, stirbt sie ab. Sie zersetzt sich über den Weg der Autolyse.“

Zwar bilde obergärige Hefe Sporen, über die es grundsätzlich möglich sei, eine alte Hefe wieder auskeimen zu lassen. Aber die Hefe brauche zur Sporenbildung Sauerstoff, der nach 133 Jahren in einer richtig verschlossenen Flasche nicht mehr vorhanden sein könne. „Nach so langer Zeit ist in der Flasche nur Biomasse übrig“, erklärt Annemüller gegenüber B&B. „Wenn mit diesem alten Hefesatz ohne einen bewussten Neuhefezusatz Gärung erzeugt wurde, muss man davon ausgehen, dass bei der Gewinnung des alten Hefesatzes eine Reinfektion von außen stattgefunden hat.“ Das „Deep Ascent“ der Saint James Brewery hält er eher für eine Marketingaktion.

Wenn dem so wäre, wäre die Aktion ein Erfolg. Bei einem Craftbierfestival in New York, bei dem das Bier ausgeschenkt worden sei, habe es eine lange Schlange vor dem Stand der Brauerei gegeben, schreibt das ZDF. Die Geschichte des Bieres sei bei den Interessenten dabei gut angekommen. „Zu wissen“, habe einer nach der Kostprobe erklärt, „dass es aus einer so alten Zeit stammt, dass man also praktisch eine Kostprobe der Geschichte erhält, ist einfach aufregend“. Die Brauerei erwartet in jedem Fall eine große Nachfrage. Um „preorder instructions“ für den in Kürze bevorstehenden Verkauf des Bieres zu erhalten, kann man sich auf der Startseite der Brauerei in einen Newsletter aufnehmen lassen.

Falk Osterloh

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