Apostelbräu und Landmalz:

Was ihre Malze so besonders macht
Rudi Hirz könnte über die Eigenheiten unterschiedlicher Malze ganze Bücher schreiben. „Wer glaubt, dass man beim Biermachen nur die Malze austauscht, der täuscht sich gewaltig“, glaubt der 51 Jahre alte Brauer…
Foto: Apostelbräu

Apostelbräu

Rudi Hirz könnte über die Eigenheiten unterschiedlicher Malze ganze Bücher schreiben. „Wer glaubt, dass man beim Biermachen nur die Malze austauscht, der täuscht sich gewaltig“, glaubt der 51 Jahre alte Brauer. Bereits in vierter Generation leitet er die Brauerei Apostelbräu in Hauzenberg, rund 20 Kilometer nordöstlich von Passau. Im Jahr produziert Hirz etwa 2.000 Hektoliter Bier, die dafür benötigten Malze stellt er selbst in der brauereieigenen Mälzerei her. Dinkel als Getreideart nicht grundsätzlich auszuschließen, machte Apostelbräu nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Nach eigenen Angaben war Hirz‘ Vater 1989 der erste Dinkelbier-Produzent Deutschlands. Doch der Anspruch von Apostelbräu, eigenwillige Biere zu kreieren, hatte einen Haken: Es gab kaum noch kleine Mälzereien in der Region, die solch ungewöhnliche Malze produzierten. Die Lösung war der Bau einer eigenen kleinen Mälzerei, die seither fester Bestandteil der Brauerei ist. „Wir verwenden neben den normalen Sorten auch Urgetreidesorten wie Dinkel, Emmer, Einkorn, Hafer oder Roggen – in Bio-Qualität“, sagt Rudi Hirz. Regionalität und eine ökologische Produktionsweise im Einklang mit der Natur sind dem Brauer wichtig.

Foto: Apostelbräu

Deswegen versuche er, sein Getreide – wann immer möglich – vor Ort anzubauen, um regionale Produkte und Erzeuger zu stärken. Nicht immer jedoch reichen die örtlich angebauten Mengen aus. Dann weiche er auch ins benachbarte Österreich aus, so Hirz.

Während große Mälzereien die einzelnen Herstellungsschritte in verschiedenen Anlagen vollziehen, geschieht dies bei Apostelbräu in einem einzigen Gefäß. Der Prozess des Weichens, Keimens und Darrens ist vollautomatisch gesteuert, die Trommelmälzerei fasst eine Tonne und wurde von einem Malzanlagenhersteller einst eigens für Apostelbräu gebaut.

Landmalz

In Buxtehude, rund 850 Kilometer nordwestlich von Hauzenberg, arbeitet Landwirt Moritz Bartmer nach einen ganz ähnlichen Prinzip. Der studierte Agraringenieur übernahm 2001 die Landwirtschaft von seinem Vater auf Gut Immenbeck. Seit Generationen wird hier Braugerste angebaut, insbesondere Sommergerste. Bartmer trieb folgende Frage um: Wo landet eigentlich unsere Gerste? In welchen Bieren wird sie überhaupt eingesetzt? Die Ketten der verschiedenen Handelsstufen sind für Landwirte und Biertrinker im Regelfall nicht besonders transparent. Doch nicht erst seit der Corona-Pandemie interessieren sich viele Menschen zunehmend für die Herkunft und Produktionsweise der Lebensmittel, die sie konsumieren. „Das passt nicht zusammen. Da hatte ich die Idee, Malz mit regionaler Identität einfach selbst und hier in meinem Betrieb herzustellen“, sagt Bartmer.

Die besten Ideen kommen einem unter der Dusche – so sagt man. Moritz Bartmer kam die Idee für  seine Malzanlage auf der Autobahn: Ein Betonmischer diente ihm als Inspiration. Die Idee, mit einer Trommel zu arbeiten, ist dabei keinesfalls neu. „Diese ist als Keim-Darr-Einheit aus der Entwicklung der Malzindustrie seit dem späten 19. Jahrhundert bekannt. Traditionelle Trommelmälzanlagen waren allerdings schwer zu be- und entladen und brauchten noch eine zusätzliche Weicheinheit“, sagt Bartmer. Auch das Zuführen von Luft und Wasser in die sich drehende Trommel sei mit großem Aufwand verbunden gewesen, so der Landwirt. Ein Betonmischer verfügt über einige Eigenschaften, die Bartmer bei dem Entwurf seiner eigenen Anlage inspiriert haben. Die Trommel kann beispielsweise gedreht, geneigt, gekippt und geschwenkt werden – ein entscheidender Vorteil, wenn es um eine einfache und unkomplizierte Handhabung geht.

Foto: Landmalz

2010 wurde das Thema der eigenen Mälzerei für den Landwirt dann konkreter. 2014 meldete Bartmer das von ihm entwickelte Verfahren zum Europa-Patent an, steckte zwei weitere Jahre in die Entwicklung des ersten Prototypen, der 2016 fertiggestellt wurde. Die dabei herausgekommene Trommelmälzanlage von Moritz Bartmer vereint unter dem Namen „Landmalz“ alle Arbeitsschritte im Mälzprozess in einer komplexen, technischen Anlage, die nach eigenen Angaben kompakt und gleichzeitig effizient ist. „Das Verfahren ist besonders energiesparend, aromaschonend und erzielt durch eine höhere Extraktausbeute einen echten Mehrwert. Alle Arbeitsschritte des Mälzens lassen sich in dieser einen Anlage umsetzen – das spart Platz und Manpower“, sagt Bartmer.

Foto: Landmalz

Verglichen mit großen industriellen Anlagen ist das Fassungsvermögen von Bartmers Mälzanlage verschwindend gering: Während in großen Industrieanlagen pro Woche etwa 300 bis 600 Tonnen Malz entstehen, sind es auf Gut Immenbeck drei Tonnen. Diese sollen laut Bartmer aber gerade durch die spezielle Trocknung besonders aromatisch sein. „Unsere Vakuumtrocknung ist nicht nur besonders aromaschonend, sondern auch schnell. Eine herkömmliche Trocknung mit Heißluft dauert etwa 24 Stunden, wir schaffen den Vorgang dagegen in rund 12 Stunden“, sagt Bartmer. Doch an wen richtet sich die Geschäftsidee von Moritz Bartmer? Zum einen möchte der Landwirt damit Kolleginnen und Kollegen ansprechen, die sich – genau wie er selbst – für die Vermälzung des eigenen Braugetreides interessieren. Darüber hinaus sind die Anlagen für mittelständische Brauereien und kleinere Craftbier-Brauereien interessant. Gerade in diesen Bereichen dreht sich vieles um das Arbeiten in kleinen Chargen und mit regionalen Produkten, die eine Geschichte zu erzählen haben. Gleichzeitig möchte Moritz Bartmer das von ihm auf Gut Immenbeck produzierte Malz an Brauereien in der Region verkaufen. Sein Verkaufsziel für 2021 sind 150 Tonnen.

Obwohl sich auf Gut Immenbeck seit 2018 mit der Landbrauerei Hacker bereits eine kleine Brauerei als potenzieller Abnehmer angesiedelt hat, hakt es noch an Formalien. Ein Genehmigungsverfahren, das sich zieht, und ein – wie Bartmer es formuliert – innovationsfeindlicher Rechtsrahmen bremsen den 48-Jährigen derzeit noch aus. Im ersten Quartal 2021 sollen dann aber alle Gutachten eingeholt und die Genehmigung abgeschlossen sein, so hofft er.

Wo wächst Gerste und welche besonderen Bedingungen kommen ihr eigentlich zugute? Auch wenn Gerste weltweit zu finden ist, gibt es regionale Unterschiede. In Buxtehude, vor den Toren Hamburgs, gelingt der Anbau alter Landsorten wie Barke oder der von der Brauindustrie häufig nachgefragten Sorte Leandra laut Landwirt Bartmer besonders gut. Wichtig für einen möglichst niedrigen Eiweißgehalt im Korn ist ein relativ magerer Sandboden. Darüber verfügt die Region an der Elbe genauso wie über etwas kühlere klimatische Bedingungen. „Die Nähe zur Elbe und zur Nordsee sorgen für eine etwas höhere Luftfeuchtigkeit. Auch morgens haben wir hier fast immer ein bisschen Tau, gerade im Hochsommer rettet das die Pflanzen über einen heißen Tag“, sagt Bartmer. Temperaturen von 35 Grad oder mehr bedeuten für die Pflanzen Stress pur – in Buxtehude kommen solche Hitzeperioden eher selten bis gar nicht vor.

Arbeit mit außergewöhnlichen Malzen

Die Arbeit mit außergewöhnlichen Malzen hat sich sowohl im Falle von Rudi Hirz als auch von Moritz Bartmer längst über die Landesgrenzen hinaus herumgesprochen. Während sich Rudi Hirz beispielsweise in Italien und den USA einen Markt für seine Dinkelbiere geschaffen hat, bekommt der Landwirt aus dem Norden für seine Mälzanlage Anfragen aus der ganzen Welt. So trudelten bereits E-Mail-Anfragen von den Färöer Inseln und aus Pakistan in Bartmers Postfach ein. Doch ob nah oder fern, alle Interessenten hätten eines gemeinsam. „Sie alle eint eine gewisse Insellage wie zum Beispiel besondere Abgeschiedenheit oder extreme klimatische Bedingungen“, sagt Bartmer.

Genau wie Moritz Bartmer in hohen Norden haben auch Rudi Hirz und sein Vater auf eine unabhängige Malzproduktion gesetzt – wenn auch bereits weitaus früher. Die derzeitige Auslastung der Apostelbräu-Brauerei beträgt 2.000 Hektoliter, die Tendenz sei jedoch steigend, bestätigt Hirz. Eigenwillige Biere hat bereits sein Vater vor rund 40 Jahren gebraut. Sohn Rudi setzt diese Tradition, die längst zu einem Markenzeichen geworden ist, fort. Auch international bekommen Hirz‘ Biere Anerkennung: Das „1. Original-Dinkel-Bier“ gewann 2008 beim World Beer Cup in den USA die Silbermedaille, das ebenfalls mit Dinkel gebraute Weizenbier „La Bianca“ machte den dritten Platz. Konzentrierte sich Hirz schon vor 2010 auf den Export für den italienischen Markt, öffnete 2011 die Einführung eines Pale Ales die Tore für den US-Markt. Apostelbräu-Biere sind unter anderem auch in Polen, Österreich oder der Schweiz erhältlich.

Nicht nur außergewöhnliche Biere und teils typische Craftbier-Stile machen das Sortiment von Apostelbräu aus: Seit 2015 produziert Hirz den 1. Hauzenberger Granit-Whisky, einen Dinkel-Brand, der mindestens drei Jahre in Holzfässern lagert und dann unter dem Namen „Bavarian Spelt Whisky“ vermarktet wird.

Die aktuelle wirtschaftliche Situation

Wie gehen die beiden Unternehmer mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation um? In Zeiten einer Corona-Pandemie habe man bei Apostelbräu den großen Vorteil, nicht gastrolastig zu sein, so Hirz. Moritz Bartmer ist zwiegespalten, wie sich das Coronavirus auf die Entwicklung seines Landmalz-Projekts auswirkt. „Bei allen behördlichen Angelegenheiten ist das gerade natürlich katastrophal“, sagt Bartmer. Viele Mitarbeiter seien aufgrund der aktuellen Situation in die Gesundheitsämter gewechselt, das verzögere die ohnehin zähen Genehmigungsverfahren für seine Mälzerei zusätzlich. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 profitierte Bartmer allerdings von Lieferproblemen in der Großindustrie. Zulieferer konnten sich durch den Zeitstau auf die Produktion kleinerer regionaler Produkte, wie die Malzanlagen des Agraringenieurs aus Buxtehude konzentrieren. Gleichzeitig stellt der Landwirt fest, dass offenbar gerade kleine Landbrauereien vom verstärkten Inlandstourismus profitiert haben. „Im Frühjahr hatte ich keine einzige Anfrage, doch mit Ende der Sommerferien kamen dann die ersten Brauereien wieder aus der Deckung“, sagt Bartmer.

Diverse Anfragen aus dem Ostseeraum oder alpinen Regionen ploppten in seinem Postfach auf. Urlaub in Deutschland, mehr Zeit, regional einzukaufen und lokal produzierte Lebensmittel zu konsumieren, haben offenbar gerade kleineren Landbrauereien gut getan.

Angela Weiss

Diesen Beitrag finden Sie auch in unserem Magazin Bier & Brauhaus, Ausgabe 48 Winter 2020, Seite 23-27!
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