Bierliebhaber wollten die örtliche Brauerei retten
Die Biere aus dem Örtchen Schwelm, östlich von Wuppertal gelegen, hatten in der Region einen guten Ruf. Umso schockierter waren viele Bierliebhaber, als die Insolvenz der Brauerei Schwelm angekündigt wurde. Einige von ihnen schlossen sich zusammen, um für den Erhalt ihrer Brauerei zu kämpfen. Am Ende ohne Erfolg. Dafür war ein neuer Hobbybrauerverein geboren.
Als in der ersten Hälfte des Jahres 2011 bekannt wurde, dass unsere traditionsreiche Schwelmer Privatbrauerei nach Jahren der Hoffnung auf ihren Erhalt Insolvenz angemeldet hat, schlossen sich viele Schwelmer und Bierfreunde aus den umliegenden Städten zusammen, um das Unmögliche doch noch möglich zu machen: die Brauerei zu retten.
Wir organisierten uns zunächst über eine Facebookgruppe, die zu Spitzenzeiten rund 8.000 Mitglieder hatte. Schnell wurde aber klar, dass wir den virtuellen Raum verlassen mussten, um mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. So organisierten wir Demonstrationen, sprachen mit Journalisten und beteiligten uns an Einkaufsaktionen, den „Fläsch-Plöpps“, die allerdings nicht von uns initiiert worden waren. Dabei trafen wir uns bei wechselnden Getränkehändlern und kauften die Restbestände des Schwelmer Bieres auf, um der Brauerei einen höheren Umsatz zu bescheren.
Von einem Tag auf den anderen verlor unser Verein seinen Sinn
Ein harter Kern von 14 besonders engagierten Aktivisten traf sich zur Organisation dieser Aktionen regelmäßig im Lokal Westfalenhof, genau gegenüber der Schwelmer Privatbrauerei. Bei einem dieser Treffen wurde die Idee geboren, sich in einem Verein besser als bislang organisieren zu können. Wir schrieben eine Satzung und hielten eine Gründungsversammlung ab. Ziel des Vereins war es, alles zu unterstützen, was den Erhalt unserer Schwelmer Brauerei möglich macht und alle diesbezüglichen Aktivitäten zu fördern. Unsere Ziele spiegelten sich im Vereinsnamen wider: „Verein für Erhalt und Förderung Schwelmer Brautradition“
Die Schwelmer Brauerei war ein Wahrzeichen der Stadt. Wir Schwelmer haben uns mit der Brauerei identifiziert und wollten unser Traditionsunternehmen behalten. Wir waren fest davon überzeugt, dass es Möglichkeiten geben müsse, die Brauerei wieder auf die Beine zu bringen. Leider lag das aber nicht in unserer Hand. So schlossen sich, trotz aller Bemühungen, die Tore „unserer“ Brauerei im September 2011 für immer. Und von einem Tag auf den anderen verlor unser Verein seinen Sinn. Doch das wollten wir nicht einfach so akzeptieren und beschlossen, andere Wege zu gehen, um unseren Verein am Leben zu erhalten. Es folgten einige Monate der Suche, voll mit internen Diskussionen um den richtigen Weg. Anfang 2012 entschlossen wir uns dann dazu, die Brautradition auf Schwelmer Boden dadurch aufrechtzuerhalten, dass wir ein eigenes Vereinsbier brauten.
Zur Vereinsgründung hatten wir keinen einzigen Hobbybrauer unter uns. Wir besorgten uns also ein Starterkit, luden eine Anleitung aus dem Internet herunter und legten los. Wie sich die meisten Hobbybrauer vorstellen können, haben wir dabei jeden Anfängerfehler mitgenommen. In dieser Zeit haben wir viel über das Brauhandwerk gelernt und unser Wissen über den Brauprozess von Brautag zu Brautag verbessert. Nach etlichen „Selbstversuchen“ haben wir ein Rezept für ein obergäriges, dunkles und naturtrübes Bier entwickelt, das wir liebevoll „Use Beerken“ (Schwelmer Platt für „Unser Bierchen“) genannt haben. Das ist bis heute unser Vereinsbier, was aber nicht heißt, dass wir nicht auch andere Biere brauen.
Schwelmer Brauschau
Hauptsächlich brauen wir auf einer selbst zusammengestellten 70-Liter-Anlage, die jeder von uns für seine Rezepte benutzen kann. Dabei unterstützen die erfahrenen Brauer die weniger erfahrenen, wenn diese ihr eigenes Bier brauen wollen. Bei kleineren Suden benutzen wir zudem immer noch den klassischen 20-Liter-Einkochautomaten.
Für die Gestaltung unseres Vereinslebens haben wir über die Jahre verschiedene Varianten ausprobiert. Mit monatlichen Treffen angefangen, haben wir uns den moderneren Gegebenheiten angepasst und unsere Kommunikation in Richtung E-Mail und Facebook verlegt. Das Interesse, sich regelmäßig in einem Vereinslokal zu treffen, war bei unseren Mitgliedern nicht sehr groß. Deshalb sind wir dazu übergegangen, uns zu öffentlichen Anlässen zu treffen, zum Beispiel zu den Brautagen, die wir regelmäßig organisieren. Die meisten Brautage sind öffentlich. Da kann dann jeder zu uns kommen und miterleben, wie ein Bier entsteht.
Honigweizendoppeleisbock und Pale Ale mit Hibiskusblüten
Darüber hinaus nehmen wir mit ProBier-Ständen an verschiedenen Festen in der Region teil. Dabei bieten wir eine kleine Auswahl an selbstgebrauten Bieren zum Probieren an. Als besonderes Highlight findet einmal im Jahr unsere Brauschau statt. Dazu laden wir verschiedene Brauer aus Nordrhein-Westfalen ein, die den Besuchern ihre Bierkreationen vorstellen. Ende Oktober fand unsere dritte Brauschau statt, auf der unter anderem ein Honigweizendoppeleisbock, ein Roggen-Dinkel-Ale und ein mit Hibiskusblüten gestopftes Pale Ale ausgeschenkt wurde. In Zukunft ist geplant, neben der Brauschau auch eine Veranstaltung zum Thema „Braukultur rund um Schwelm“ zu organisieren.
Die Mitgliederzahl unseres Vereins schwankt heute zwischen 35 und 40 – wobei die meisten passive Mitglieder sind, die unsere Idee gut finden und uns finanziell unterstützen möchten. Während wir anfangs noch bei unseren Mitgliedern zu Hause gebraut haben, sind wir mittlerweile mit unserer Brauanlage bei einem befreundeten Braukollegen untergekommen, bei dem wir auch fast alle unsere Brautage öffentlich abhalten. Zwar haben wir es mit unserem Verein nicht geschafft, die Insolvenz der Brauerei Schwelm zu verhindern. Doch dafür tragen wir heute dazu bei, die Braukultur in unserer Stadt aufrechtzuerhalten. Und dabei haben wir viel Spaß.
Verein für Erhalt und Förderung Schwelmer Brautradition