„Trotz Hitzesommer ein solides Jahr“
Der Sommer 2018 war extrem. Extrem schön für die anderen, weil es so heiß war. Und extrem anstrengend für die anderen. Weil es so heiß war. Anstrengend war es unter anderem für die deutschen Hopfenbauern. Denn sowohl die Frühjahresarbeiten als auch die Ernte stellten sie vor große Herausforderungen – ganz zu schweigen von den Sorgen um die befürchteten Ernteausfälle. In B&B erzählt Lukas Locher vom Hopfengut No20 in Tettnang, wie er den Sommer 2018 erlebt hat.
In diesem Sommer war es sehr früh sehr warm. Das führte dazu, dass der Hopfen von Anfang an seiner Zeit voraus war. Für uns bedeutete das zum Beispiel, dass wir beim Anleiten des Hopfens unter großem Zeitdruck standen. Bei dieser Arbeit wickeln wir drei bis vier Triebe unserer Hopfenpflanzen an die Steigdrähte, um sicher zu stellen, dass der Hopfen seinen Weg nach oben findet. Weil er in diesem Jahr so schnell gewachsen ist, standen wir von Anfang April bis Ende Mai in einem ständigen Wettlauf mit dem Hopfen. In dieser Zeit beschäftigen wir 20 Helfer. Zum Glück sind wir ein eingespieltes Team, sodass das Anleiten gut geklappt hat.
Wegen des warmen Wetters hat der Hopfen in diesem Sommer auch sehr früh die Spitze der Gerüstanlagen erreicht, an denen er emporwächst – deutlich vor Ende Juni, wann es eigentlich so weit sein sollte. Manche Hopfen bildeten dabei eine sehr frühe Blüte aus. Und so etwas wollen wir Hopfenpflanzer überhaupt nicht haben. Denn es bedeutet, dass auch die Hopfendolde zu früh reif werden kann – zu einem Stadium, in dem die meisten anderen Dolden noch reifen. Hopfen mit einer frühen Blüte können also bei der Ernte schon überständig sein und die Qualität der Ernte negativ beeinflussen. Je nach Sorte waren frühe Blüten in diesem Jahr extrem ausgeprägt.
Die Dolden blieben klein
Als dann der Großteil der Pflanzen zu blühen begann, hatten wir auf unseren Beständen überwiegend einen sehr guten Blütenansatz: eine gute Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Ernte. Zu diesem Zeitpunkt, Anfang Juli, hatte die Ernte also noch viel Potenzial. Dann allerdings, während der generativen Phase des Wuchses, hätte es mehr regnen müssen, damit die Pflanzen die Nährstoffe, die sie brauchen, aus dem Boden ziehen können. Doch es regnete nur während ein paar Gewittern. Den Pflanzen fehlte das Wasser, und so wurden die Hopfendolden teils sehr klein.
Am 22. August haben wir unsere Ernte begonnen, sechs Tage früher als normalerweise. Für uns sind das Welten. Am 23. September waren wir fertig. Am Ende lagen wir bei allen Sorten leicht unter dem durchschnittlichen Ertrag. Die Erträge variierten dabei stark zwischen den Sorten und auch zwischen den Böden, auf denen die Pflanzen gewachsen sind. Wir haben über 100.000 Pflanzen auf 40 Hektar überall in Tettnang verteilt. Zwischen den einzelnen Standorten variiert auch die Qualität der Böden. Und das merkt man besonders in so einem Jahr wie diesem.
Gut entwickelten sich Sorten mit amerikanischem Blut
Bei der Ernte geht es sowohl um die pure Masse als auch um die Qualität des Hopfens, die sich im Gehalt der Alphasäure ausdrückt und im Gehalt der ätherischen Öle, den Aromastoffen. Wenn es zu trocken ist im Juli, kann vor allem der Alphawert leiden. Und so war es auch in diesem Jahr. Bei unserer Hochalphasorte Herkules hatten wir Alphawerte, die weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Die Qualität unserer Aromasorten war hingegen gar nicht so schlecht. Gut entwickelt haben sich vor allem die Sorten mit amerikanischem Blut, zum Beispiel Mandarina Bavaria, die ja unter anderem aus dem amerikanischem Cascade gekreuzt wurde. Tettnanger, unsere Hauptsorte, entwickelte sich in diesem Jahr zum Glück auch zufriedenstellend.
Am Ende konnten wir fast alle unsere Lieferverträge erfüllen. Problematisch war es nur bei Herkules. Wir haben in unseren Verträgen allerdings Klauseln, die greifen, wenn wir Pflanzer aufgrund von Witterungsbedingungen nicht die Mengen liefern können, die wir zuvor vereinbart haben.
In guten Jahren ernten wir so viel, dass es über die Kontraktmenge hinausgeht. In diesem Jahr hatten wir Verluste beim Herkules und ansonsten nur leichte Übermengen. Aus wirtschaftlicher Sicht hatten wir insofern zwar Einbußen, aber es war dennoch ein solides Jahr. Es gibt allerdings auch Betriebe, die in diesem Jahr aufgrund ihrer Sortenstruktur und Standorte höhere Verluste hatten. Die können dann auch schon einmal zehn bis 20 Prozent unter dem erwarteten Erlös liegen.
Steckbrief
Das Hopfengut No20 wird von den Geschwistern Lukas Locher und Charlotte Müller geleitet. Der Hof befindet sich in vierter Generation im Familienbesitz. Auf einer Fläche von insgesamt 40 Hektar werden die Sorten Tettnanger, Tradition, Herkules, Callista, Hüll Melon, Mandarina Bavaria, Hallertau Blanc, Cascade und Centennial angebaut. Der Hopfen geht, größtenteils direkt, ebenso an Brauereien aus der Region wie an Craftbrauer in den USA. Neben dem Hopfenanbau gibt es auf dem Hopfengut auch eine Brauerei, ein Museum und einen Laden, in dem unter anderem Hopfentee und Hopfenlikör verkauft wird.
Lukas Locher