Famose Dose? Verpackung im Trend!

Wer erinnert sich noch an die Wirren des Jahres 2003?
Damals trat das Dosenpfand in Kraft. Und irgendwie auch nicht. Wer nimmt welche Dose zurück und welche Getränkepackung mit oder ohne Kohlensäure ist von der Pfandpflicht befreit? Ein geplantes zentrales Rücknahmesystem des Handels kommt nicht zustande, und in Brüssel laufen Klagen gegen das bundesdeutsche Pfandsystem für Dose und Plastikflasche. Die Verwirrung ist groß, der Streit ist laut.
Foto: Peter Eichorn

Wer erinnert sich noch an die Wirren des Jahres 2003? Damals trat das Dosenpfand in Kraft. Und irgendwie auch nicht. Wer nimmt welche Dose zurück und welche Getränkepackung mit oder ohne Kohlensäure ist von der Pfandpflicht befreit? Ein geplantes zentrales Rücknahmesystem des Handels kommt nicht zustande, und in Brüssel laufen Klagen gegen das bundesdeutsche Pfandsystem für Dose und Plastikflasche. Die Verwirrung ist groß, der Streit ist laut.

In einer Pressemeldung mit dem Titel „Merkel watscht sich selber ab“ vom 3. August 2003 geht der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin gegen seine Vorgängerin im Amt, Angela Merkel, an: Die Äußerungen der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Angela Merkel zum Dosenpfand sind im Bundesumweltministerium auf Kopfschütteln gestoßen: „Frau Merkel watscht sich selber ab“, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Die vormalige Bundesumweltministerin kritisiere sich massiv selbst, wenn sie die Verpackungsverordnung als kompliziert bezeichne.

„Die größten Komplikationen und der größte Unsinn stammt aus der Amtszeit Angela Merkels. Ihr verdanken wir, dass wir zwischen Dosen-Eistee mit und ohne Kohlensäure unterscheiden müssen oder dass Cola ohne Schnaps bepfandet wird, mit Schnaps jedoch nicht. Seit 2001 versuchen wir diesen Unsinn zu beseitigen, und seit dieser Zeit wird dies von den Unionsländern im Bundesrat blockiert“, unterstrich Trittin.

Erst ab 2006 entspannt sich die Lage, und heute kommen Hersteller, Verbraucher und Handel mit der Dose im Pfandsystem besser zurecht als mit unsolidarischen Reliefflaschen und der individuellen Frage, ob man für acht Cent das Glas wirklich den weiten Weg schleppen möchte.

Covid und die Verpackung

Aktuelle politische Ziele, die Mehrweg fördern und Vermüllung vermeiden sollen, haben es derzeit nicht leicht. Die Epidemie beweist in ihrem Alltag den Bedarf an Einwegverpackungen für Speisen und die Notwendigkeit für Wegwerfprodukte wie medizinische Masken und Schnelltests. Ab 2023 muss die Gastronomie für ihre Produkte Mehrwegverpackungen anbieten, und das Dosenpfand gilt grundsätzlich, unabhängig vom Inhalt der Dose.
Und tatsächlich verdient die Dose eine aktuelle, eine neue Betrachtung. Für viele Brauer, die ansonsten stark auf den Fassbierumsatz setzen, brachte eine Abfüllung in Dosen eine wichtige Chance in der Krise, die die Braubranche so immens beutelt.

Im Frühjahr dieses Jahres ergab eine Branchenumfrage des Deutschen Brauer-Bundes (DBB) ein gruseliges Ergebnis: „Derzeit sieht jede vierte Brauerei ihre Existenz gefährdet. Die Corona-Krise hat die gesamte Branche hart getroffen – Unternehmen jeder Größe melden massive Umsatzausfälle, Kurzarbeit und Entlassungen. Nach der aktuellen Betriebserhebung des DBB ist der Umsatz der Brauereien von Januar bis einschließlich März 2021 im Schnitt um 33 Prozent eingebrochen.

Besonders schwer getroffen sind laut der aktuellen Stichprobe des Verbandes Brauereien mit einem hohen Gastronomieanteil. Durch den kompletten Zusammenbruch des Fassbiermarktes beklagen Betriebe Umsatzrückgänge von in der Spitze bis zu 85 Prozent. Nur einer sehr geringen Zahl von Brauereien, die ihre Biere überwiegend oder ausschließlich über den Handel absetzt, gelang es, drastische Einbußen zu vermeiden. Generell aber kann der weitgehend stabile, in der Regel jedoch margenschwache Flaschenbierabsatz nicht annähernd die schweren Verluste im Gastronomiegeschäft ausgleichen.

‚Einbrüche dieser Dimension hat es seit Ende des Zweiten Weltkriegs in der deutschen Brauwirtschaft nicht gegeben‘, so Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes.“
Allein alkoholfreie Biere erfuhren ein Umsatzplus während der Pandemie, und 2020 wurden mehr als 660 Millionen Liter alkoholfreies Bier und Malztrunk verkauft. Und auch die Dose gewann an Bedeutung.
Gerade kleinere Brauereien konnten flexibel auf diese Art der Abfüllung umsteigen, die in der Craftbier-Welt bereits länger gut etabliert ist.

Der nordamerikanische Blick in die Dose …

… ist kein Blick in die Röhre, wie wir von Michael Schallinger erfahren. Der aus Deutschland stammende Ingenieur ist seit anderthalb Jahren im kanadischen Calgary für die Firma „Cask“ tätig, einem Pionier der Dosenabfüllung für Brauereien kleiner und mittlere Größe. Früher war er im Naturschutz tätig und entwickelte Methoden, Vögel zu verscheuchen, nun soll er Kunden anlocken. Ein zufriedener Kunde der Cask-Systeme ist die True Brew Brewing in München, frisch ausgezeichnet von Ratebeer als beste neue Brauerei in Bayern. Schallinger berichtet: „Andreas und Luis von True Brew Brewing haben sich Mitte 2020 einen Cask-Dosenabfüller zugelegt und füllen damit nicht nur ihre eigenen Biere ab, sondern bieten auch mobilen Abfüllservice für andere Brauereien an, um diesen beim Einstieg oder Umstieg auf Dosen zu helfen.“ So können die schmackhaften Biere wie „Hello Exile“ oder „Somewhere Nowhere“ mittlerweile nicht nur im Münchner Taproom, sondern auch landesweit aus originellen Dosen genossen werden.

Die Geschichte des Unternehmens Cask beginnt in den 1980-er Jahren mit dem Verkauf von Brauereiausstattung und Zutaten. Als 1999 in Nordamerika ein Überangebot an Craft Beer den Markt veränderte und innerhalb von drei Jahren an die 500 Brauereien ihre Pforten schlossen, begann man bei Cask umzudenken. Die Idee war, kleine Dosenabfüllanlagen für manuellen oder automatisierten Betrieb zu entwickeln.
Das Team stellte sein Konzept erstmalig auf der Craft Brewers Conference in Cleveland 2002 vor und erhielten von einem Teilnehmer den Kommentar: „Das ist die dümmste Idee, die ich je gehört habe. Niemand in der Craft-Beer-Branche wird jemals sein Bier in Dosen abfüllen!“ Die Brauerei Oskar Blues fand die Idee nicht ganz so schlecht und wurde der erste Kunde. Heute nutzen mehr als 1.300 Getränkeproduzenten in über 60 Ländern die Cask-Systeme.

Michael Schallinger ist nun Teil des Teams, denn auch in Mitteleuropa, insbesondere im deutschsprachigen Raum, steigt das Interesse an der Dosenabfüllung. „Dabei geht es nicht nur um Bier“, wie Schallinger erklärt, „auch Hersteller von Cider, Kaffee, Kombucha, Wein, Tee, Softdrinks oder Energy-Drinks nutzen die Dose. Aber im Biersegment war die Nachfrage zuletzt besonders hoch, in Nordamerika. Der Fassbiermarkt brach ein. Die Messen und Festivals fielen aus, und die Kleinbrauereien in USA und Kanada hatten nichts zum Abfüllen ihrer Biere. So entstand für uns ein unerwarteter Wachstumsmarkt. Abfüllung und Reinigung von Flaschen gestaltet sich viel aufwendiger als die Dose. Dabei muss man natürlich beachten, dass die Pfandsysteme in Nordamerika sehr verschieden sind und es sehr wenig Glas-Recycling gibt, die Dose aber sehr zuverlässig den Weg in die Recycling-Systeme findet.“

Wachstumsmotor Hard Seltzer

Die Zahlen von Ball, einem der Weltmarktführer der Dosenherstellung, verweisen auf Zahlen des Jahres 2019, in dem 67 % aller Getränkeneueinführungen die Dose als Umverpackung wählten. 2014 waren es gerade einmal 31%. Das Unternehmen aus Colorado besteht seit 1880 und beschäftigt heute 21.500 Beschäftigte in aller Welt. Der Jahresumsatz liegt für 2020 bei knapp 12 Milliarden Dollar. Die aktuellen Zahlen und Prognosen sind faszinieren. Laut Bell ist die Dose genau in diesem Moment dabei, die Flasche als wichtigste Getränkeverpackung einzuholen. Im Craft-Segment nutzen bereits 46,9 % der Marken die Dose.

Ein aktueller Motor sind die „Hard Seltzer“, jene alkoholisch aromatisierten karbonisierten Modegetränke, die in USA gerade die Verkaufsrekorde brechen. Ein jährliches Umsatzwachstum von 212,5 % sorgte bei einigen Brauereien bereits dafür, dass diese teilweise oder ganz auf den herben Alcopop umsattelten. Wobei die Marken des „harten Sprudelwassers“ sich klar vom Alcopop distanzieren möchten und insbesondere auf den deutlich geringeren Zuckergehalt verweisen. Hierzulande tauchen bereits einige dieser Produkte auf, unklar ist noch die steuerliche Einordnung im Rahmen der 2004 eingeführten Alcopop-Sondersteuer.

Die Dose will kein Schmutzfink sein

Lange Zeit gab es viel Kritik für die Dose in ihrer Umweltbilanz. Kritiker verweisen auch heute auf durch den Abbau von Bauxit rot verschlammte Flüsse in Südamerika, und der Slogan „Die Dose ist grün!“ wurde vom Landgericht Düsseldorf nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe verboten. Das war aber bereits 2012. Seither gehen die Dosenproduzenten ernsthaft auf das Thema Recycling, Nachhaltigkeit und Müllvermeidung ein. Plastik in den Ozeanen, Müllvermeidung und ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit beeinflussen Kundenentscheidungen, und darauf muss die Industrie reagieren.


Michael Schallinger nennt einige der aktuellen Zahlen und Entwicklungen: „Aluminium weist eine herausragende Recycling-Quote auf. Weltweit wird 69 % Aluminium wiederverwertet. Geschätzte 75 % allen jemals hergestellten Aluminiums sind noch heute im Umlauf und in Benutzung. Dosen sind endlos recycelbar. Der Schmelzpunkt ist niedrig und somit auch der Energieaufwand.“


Verbraucherbewusstsein und gesetzliche Vorgaben treiben die Entwicklung voran, auch bei der Beschichtung und dem Bedrucken von Dosen. Immer öfter liest man auf Dosen den Zusatz „Frei von Bisphenol A“ oder „BPA-Free“. Die chemische Verbindung dient der Innenbeschichtung der Dose und wurde in Verbindung mit Lebensmitteln 2017 von europäischen Gesundheitsbehörden als „besonders besorgniserregende Substanz (SVHC)“ nach der REACH-Verordnung eingestuft.

Schallinger verweist zudem auf neue Methoden der Beschichtung und der Etiketten: „Hier ist viel in Bewegung. Plastiketiketten werden immer leichter abziehbar und können im Recycling gut von dem Aluminium getrennt werden. Aber auch direktes Bedrucken mit teurem Digitaldruck oder neuerdings auch Papieretiketten bieten Alternativen.“

Viele Brauer schätzen die Vorteile der Dose. Das Bier ist lichtgeschützt und zuverlässig verschlossen. Sie ist leicht, gut zu transportieren und schnell kühlbar. Transport- und Lagerkosten sind geringer als bei der Flasche, und auch kleine Mengen können flexibel produziert werden. Auch Rücknahme und Reinigung erzeugen keine Kosten.


Und auch das „Widget“ hat viele Fans, also jene Stickstoffkugel, die beispielsweise bei Guinness-Dosen den Zapfvorgang mit dem cremigen Ergebnis zuverlässig simuliert.

Das Dosengesamtpaket wird immer attraktiver. Unternehmen wie Cask in Kanada oder Leibinger in Baden-Württemberg bringen Technologie und Möglichkeiten voran, und mit teils wunderschönen Designs serviert auch die Gastronomie die Dose mittlerweile gerne und ohne Stirnrunzeln. Nur ein Versprechen können wir nicht garantieren. Nämlich jenes, was die Band „Illegal 2001“ in den 1990-er Jahren singend zum Besten gab in ihrem Song: „Dosenbier macht schlau“.

Historischer Exkurs: Die Dose und der Kirchenschlüssel

Wagen wir den Zeitsprung in die Historie. Woher stammt die Ur-Dose? Es war die Brauerei Gottfried Krueger aus Newark, New Jersey, die 1933, unmittelbar nach dem Ende der Prohibition, erste Testsude in der Dose anbot, um zu erkunden, ob diese Art der Abfüllung von den Kunden angenommen wird. Der Zusprach war überraschend positiv, und so kam am 24. Januar 1935 das „Krueger‘s Special Beer“ auf den US-Markt. Noch im selben Jahr kauften die Amerikaner 200 Millionen Bierdosen. Rasch kam die neue Technik auch nach Europa, und in Großbritannien boten 1937 knapp 30 Brauereien Dosenbier an.

Die frühen Dosen waren fünfmal so schwer wie die heutigen, und zu Beginn benötigte man ein Hilfsmittel, um an den flüssigen Inhalt zu kommen. Das dreieckige Werkzeug, mit dem man ein Trinkloch in die Dose bohrte, erinnert die Leute an ein Kirchendach und erhielt so den Spitznamen „Church Key“, also Kirchenschlüssel.
Während des Zweiten Weltkriegs verschwand die Dose, da die Metalle in der Rüstungsindustrie verwendet wurden. Nach dem Krieg erinnerte man sich wieder an die Dose und entwickelte sie weiter.
In Deutschland war 1951 das Henninger Export aus Frankfurt am Main in der Dose und warb mit dem Slogan: „Moderner leben – mit Bier aus Dosen“.

Nur die Ära des Kirchenschlüssels war besiegelt. 1959 ärgert sich der amerikanische Ingenieur Ermal Fraze, weil er keinen Kirchenschlüssel zur Hand hat, und entwickelt darauf ein neues Patent, das 1963 auf den Markt kommt. Sein „Pull Tab“ besteht aus einer Lasche, die man mit einem Ring einfach und ohne Zusatzwerkzeug abziehen kann.


Schließlich folgt 1975 der „Stay-On Tab“, bei dem die Lasche an der Dose verbleibt.

Peter Eichhorn

Diesen Beitrag finden Sie auch in unserem Magazin Bier & Brauhaus, Ausgabe 51 Herbst 3-21,
Seite 64-67
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