Klimawandel und Umweltschutz machen eine Neuausrichtung der Hopfenproduktion mit neuen modernen Sorten notwendig, um die qualitativ hochwertige Rohstoffversorgung der Brauwirtschaft auch künftig sicherstellen zu können.
Mit TITAN kommt eine neue Hüller Hochalphasorte in den Anbau, die die züchterisch gelungene Kombination aus hervorragender Brauqualität und Klimatoleranz sowie optimierte Anbau- und Resistenzeigenschaften in sich vereinigt.
TITAN ist für Brauer und Hopfenpflanzer gleichermaßen eine zukunftssichere und nachhaltige Alternative zu Herkules.
Erfolgsgeschichte von Herkules
Die Markteinführung von Herkules im Jahr 2006 wurde zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. Mit
einem Ertragspotenzial von mehr als 50 % über der damals weltweit führenden Hochalphasorte
Hallertauer Magnum erbrachte Herkules einen kaum für möglich gehaltenen Züchtungsfortschritt.
Bereits im Jahr 2014 wurde Herkules mit 3.345 ha Anbaufläche zur größten Bittersorte weltweit und
wird heute bundesweit auf über 7.100 ha angebaut. In der Hallertau sind mittlerweile 39 % der
Gesamthopfenfläche mit Herkules bepflanzt. Damit bildet er das Rückgrat der Grundhopfung in den
meisten Brauereien weltweit.
Mit dieser Dominanz einer Hochalphasorte sind mittlerweile auch einige Probleme im Anbau
verbunden. Beispielsweise stellt Herkules im Anbaugebiet Elbe-Saale bis heute keinen vollwertigen
Ersatz für Hallertauer Magnum dar, da die Boden- und Witterungsbedingungen in diesem
Anbaugebiet Stockfäule begünstigen und einen wirtschaftlich sinnvollen Anbau von Herkules
verhindern. Zudem war Herkules bei Markteinführung mit einer Resistenz gegen echten Mehltau
ausgestattet. Diese Resistenz ist mittlerweile durch die natürliche Anpassung des Pilzes gebrochen,
und die Mehltaubekämpfung stellt für die Hopfenpflanzer auch wegen der stetig geringer werdenden
Verfügbarkeit von wirksamen Pflanzenschutzmitteln eine immer größere Herausforderung dar.
Zahlreiche Betriebe bauen aufgrund der hohen Wirtschaftlichkeit mittlerweile auf mehr als 50 %
ihrer Hopfenfläche Herkules an. Eine so starke Fokussierung auf eine Sorte stellt für einen
Hopfenbaubetrieb und für die ganze Hopfenbauregion jedoch auch ein wirtschaftliches Risiko dar.
Gleiches gilt für die Brauwirtschaft. Auch sie benötigt aus Gründen der Risikovorsorge Alternativen
zur Absicherung der Versorgung, ohne qualitative Abstriche machen zu müssen.
Stammbaum und agronomische Eigenschaften von TITAN
Die Idee hinter dieser klassischen Kreuzung, die zu TITAN führte, war, die hervorragenden
Eigenschaften von Herkules (Großmutter) durch gezielte Kombination mit anderen guten Vererbern
aus dem Hüller Genpool noch weiter zu verbessern. Die Mutter Polaris erzielt weltweit die höchsten
Alphasäurengehalte und weist auch unter Extrembedingungen nur geringe Alphaschwankungen auf.
Darüber hinaus besitzt Polaris eine sehr gute Stockgesundheit, die sich auch unter den schwierigen
Bedingungen im Anbaugebiet Elbe-Saale voll und dauerhaft bewährt hat.
Inhaltstoffe | Titan | Herkules | Polaris |
Gesamt-Ölgehalt (EBC 7.10 in ml/100 g) | 3,2 (2,6 – 4,0 | 1,8 (1,2 – 2,4) | 3,40 (2,8 – 4,2) |
Bittersubstanzen (EBC 7.7) | |||
Alphasäuren (%) | 17,5 (14,0 – 20,0) | 16,0 (12,7 -17,5) | 18,5 (16,5 -20,5) |
Betasäuren (%) | 4,9 (4,0 -5,5) | 4,8 (3,8 – 5,3) | 5,5 (5,0 -6,0) |
β:a-Verhältnis | 0,28 | 0,30 | 0,30 |
Cohumulon (rel. % der a-Säuren) | 22 (20 – 24) | 36 (33 – 38) | 23 (21 -25) |
Xanthohumol (%) | 0,54 (0,45 – 0,60) | 0,80 (0,60 – 0,95) | 0,80 (0,60 -0,95) |
Ausgewählte Mono- und Sesquiterpene (mg /100 g) | |||
Myrcen | 1254 | 583 | 927 |
β-Pinen | 45 | 28 | 44 |
β-Ocimen | 41 | 33 | 62 |
β-Caryophyllen | 143 | 135 | 317 |
Humulen | 362 | 273 | 499 |
β-Farnesen | <1 | 1 | 1 |
β-Eudesmen (β-Selinen) | 5 | 8 | 19 |
a-Eudesmen (a-Selinen) | 8 | 11 | 27 |
a-Cadinen | 36 | 31 | 101 |
Mono Terpenalkohole und Ester (mg /100 g) | |||
Linalool | 15 | 8 | 14 |
a-Terpineol | <1 | <1 | <1 |
Geraniol | 5 | 7 | 8 |
Geranylsäuremethylester | 4 | 4 | 4 |
Geranylacetat | 29 | 0 | 14 |
Geranylisobutyrat | 34 | 2 | 15 |
Nicht-terpenoide Ester (wasserlöslich) (mg /100 g) | |||
Isobutyl-propionat | 9 | 5 | 7 |
Isobutyl-isobutyrat | 9 | 12 | 15 |
2-Methylbutyl-acetat | 8 | 1 | 16 |
Methyl-hexanoat | 1 | 2 | 1 |
2-Methylbutyl-propionat | 11 | 10 | 11 |
3-Methylbutyl-isobutyrat = Isoamylisobutyrat | 11 | 6 | 13 |
2-Methylbutyl-isobutyrat | 24 | 42 | 42 |
Nicht-terpenoide Ester (schwer wasserlöslich) (mg /100 g) | |||
Önanthsäuremethylester | 25 | 10 | 16 |
Caprylsäuremethylester = Octysäurelmethylester | 48 | 14 | 76 |
Pelargonsäuremethylester | 10 | 8 | 16 |
Polyphenole (gesamt) (EBC 7.14) (%) | 4,4 | 3,8 | 4,0 |
Da männliche Zuchtstämme keine Dolden ausbilden und somit wenig über ihre Inhaltsstoffe und ihr brautechnisches Potenzial bekannt ist, werden sie im Züchtungsprozess vor allem zum Einkreuzen neuer Resistenzgene verwendet. Der Großvater vererbte TITAN eine neuartige Mehltauresistenz und verbessert zudem die Toleranz gegenüber Doldenbefall mit Peronospora.
TITAN zeichnet sich durch eine schöne zylindrische Rebe mit einem gleichmäßigen Doldenbehang
aus. Wegen der relativ kleinen Blätter und der nur mittleren Belaubungsstärke werden
Pflanzenschutzmaßnahmen erleichtert. Somit kann mit einer reduzierten Wassermenge eine gute
Benetzung der gesamten Hopfenrebe erzielt werden. Neben den verbesserten
Resistenzeigenschaften, die einige Pflanzenschutzmaßnahmen überflüssig machen, trägt diese
Wuchsform zur weiteren Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bei der Hopfenproduktion bei.
Umfangreiche Anbauprüfungen TITAN ist in vielfältigen Anbauprüfungen in Zuchtgärten mit verschiedenen Bodenqualitäten, im Reihenversuchsanbau und im Großparzellenanbau auf unterschiedlichen Standorten sehr gut durchgeprüft. Insgesamt liegen weit über 100 Einzelergebnisse aus der Anbauprüfung vor, davon 44 Ergebnisse im direkten Vergleich zu Herkules.
Im Herbst 2019 bonitierte, nach 2017 erneut, das Beratungsgremium diesen Zuchtstamm zusammen
mit anderen Hochalphazuchtstämme. Dabei bestätigte sich die positive Bewertung, und das
Gremium schlug der Vorstandschaft der GfH vor, ihn für den Großparzellenanbau freizugeben und
mit umfangreichen Sudversuchen zur Absicherung der bereits im Kleinmaßstab erfolgten
Versuchssude zur Ermittlung der Bitterqualität zu beginnen. Der Vorstand der GfH folgte der
Empfehlung der Experten, sodass im Jahr 2020 die ersten von den Hopfenhandelshäusern
finanzierten Großparzellenversuche auf unterschiedlichen Standorten in den deutschen
Hopfenbauregionen ausgepflanzt werden konnten. Ziel dieser Großparzellenversuche ist es, weitere
Anbauerfahrungen zu sammeln, um genügend Versuchshopfen für Verarbeitungs- und Brauversuche
zu erhalten.
Wegen des großen Interesses an einer neuen Hochalphasorte wurden die Großparzellenversuche in
den Jahren 2021 und 2022 auf weitere Standorte und Flächen ausgeweitet. Mittlerweile gibt es sechs
Versuchsstandorte in der Hallertau und jeweils einen Standort in den Anbaugebieten Spalt und Elbe-
Saale.
Aroma im Rohhopfen
Im Rohhopfen zeigen sich zwischen TITAN und Herkules noch gewisse Unterschiede. Während bei
Herkules neben der schönen hopfigen Grundnote Aromen von grünen Früchten und Zitrusnoten in
einer stärkeren Ausprägung vorhanden sind, ist das Aromaprofil bei TITAN etwas dezenter. Trotz
eines deutlich höheren Gesamt-Ölgehalts im Vergleich zu Herkules ist das Aroma von TITAN
angenehm und sehr ausgewogen. Es dominieren klassische hopfentypische Noten, die von süßen
Früchten und etwas Menthol gestützt werden. Die bei Herkules deutlich wahrnehmbare Zitrusnote
ist kaum vorhanden.
Der Gehalt an Linalool als Indikatorsubstanz für ein hervorragendes klassisches Hopfenaroma ist mit
15mg/ 100g Hopfen bei TITAN relativ hoch.
Brauqualität und Aroma im Bier
Das wichtigste Entscheidungskriterium bei der Auswahl eines neuen Hochalpha-Zuchtstammes ist die
hohe, mit denen der im Markt befindlichen Bittersorten vergleichbare Bitterqualität. Nur eine
Hochalphasorte, deren Bitterqualität mit Herkules und Magnum mithalten kann, hat trotz der
agronomischen Überlegenheit überhaupt eine Chance, als Substitutionssorte in die Rezepturen von
Braumeistern zu kommen.
Bei den Sudversuchen wurde besonderer Wert auf die Qualität der Grundbittere im Bier gelegt. Im
Rahmen des Forschungsprojektes „Genombasierte Selektion von Qualitätshopfen“ wurde ein eigenes
Verkostungsschema zur Ermittlung der Bitterqualität am Hopfenforschungszentrum entwickelt.
Zunächst wurden mit Unterstützung der Wissenschaftsförderung der Deutschen Brauwirtschaft
standardisierte Biere mit nur einer Grundhopfengabe mit jeweils 100 % aller im Markt befindlichen
Bitterhopfensorten gebraut und im erweiterten Beratungsgremium verkostet. Aus dieser
Versuchsreihe wurde Herkules als Referenzhopfensorte mit seinem typischen Bitterqualitätsprofil
ausgesucht. Nach gleichem Standardrezept wurden dann weitere Sudversuche in den drei
Versuchsbrauereien TUM, St. Johann und Bitburg mit TITAN im Vergleich zu Herkules hergestellt und
mit dem gleichen Schema bewertet. Der Anstieg und die Gesamtintensität der Bittere wurden
identisch und nicht signifikant abweichend von Herkules bewertet. Im Haupttrunk entfaltet die
Bittere ihre volle Wirkung und fällt dann, ohne nachkommend oder nachhängend oder gar breit zu
sein, kontinuierlich ab.
Brauversuche im Großmaßstab, die im Laufe des vergangenen Jahres zur Absicherung der Akzeptanz
der neuen Hochalphasorte in der Brauwirtschaft in Brauereien verschiedener Größenklassen mit den
Hopfenprodukten aus den beiden Verarbeitungsstudien gemacht und bewertet wurden, bestätigten
die Ergebnisse des Beratungsgremiums zur hervorragenden Bitterqualität von TITAN. Anders als bei
Aromahopfensorten, die den Charakter eines Bieres entscheidend prägen, wird deshalb der
Marktzugang und die Markteinführung von TITAN zügig vorankommen und den oben beschriebenen
Input zu mehr Nachhaltigkeit bis zum fertigen Bier bringen.
Das Verkosterpanel, bestehend aus 37 Verkostern, hat neben der hohen Bitterqualität auch das
Aroma beurteilt und dieses trotz nur einer Hopfengabe zu Kochbeginn als dezent, klassisch und
hopfentypisch beschrieben.
Umwelt- und ressourcenschonende Produktion trotz Klimawandel
Mit den genetischen Wurzeln von Herkules, Polaris und ausgewählten Hüller
Hochalphalinien, die bei der Kreuzungsplanung berücksichtigt wurden, besitzt TITAN nicht
nur hervorragende Brauqualität, sondern darüber hinaus viele Vorteile einer modernen
Zuchtsorte.
Um den Herausforderungen im Hopfenbau rund um Umwelt- und Ressourcenschutz zu
entsprechen, verzichtete das Hüller Züchtungsteam bei der langjährigen Sortenentwicklung in
den Zuchtgärten ganz bewusst auf Bewässerung, minimierte die Düngergaben und
beschränkte drastisch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. TITAN ist daher auf
Nährstoffeffizienz, Wassereinsparung und auf Pflanzenschutzmittelreduktion hin adaptiert.
Aber trotz dieser „Low Input“-Strategie überzeugte die Neuzüchtung selbst unter klimatisch
extrem schwierigen Bedingungen durch „High Output“ mit stabil hohen Erträgen,
Alphasäuren- und Ölgehalten. Dies wurde auch in zahlreichen Anbauprüfungen in der
Hallertau, in Tettnang, Spalt wie auch in der Elbe-Saale-Region bestätigt.
Des Weiteren besitzt TITAN verbesserte Resistenz- und Toleranzeigenschaften gegenüber
Herkules, wie die umfassenden Gewächshaus-, Labor- und Feldprüfungen zeigen. In
Praxisprüfungen konnte letztlich dieser Züchtungsfortschritt im Bereich Resistenz/Toleranz
bestätigt werden, wodurch eine Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes möglich wird.
Durch den auf Hektarbasis durchgeführten Großflächenversuchsanbau konnten nicht nur die
oben aufgeführten umfassenden Erfahrungen und Erkenntnisse zur Produktion ergänzt,
sondern auch ausreichend Erntegut für Brauversuche zur Verfügung gestellt werden. Dieses
Angebot wurde von vielen interessierten Mitgliedern der GfH bereits genutzt.
Weiterer Meilenstein in Richtung umweltgerechte, klimastabile Produktion von Qualitätshopfen
Mit TITAN ist ein weiterer Meilenstein bei der Umsetzung der in Hopfen- und Brauwirtschaft
gesetzten Ziele rund um Klimaadaptation, Umwelt- und Ressourcenschutz, Düngeverordnung und
Liefersicherheit erreicht. Für Brauer und Hopfenpflanzer ist diese Sorte eine zukunftssichere
Alternative zu der weltweit bedeutendsten Hochalphasorte Herkules.
Verfügbarkeit
Der neue Hüller Zuchtstamm wurde im Dezember 2021 von der Gesellschaft für
Hopfenforschung e.V. unter dem Namen TITAN beim Europäischen Sortenamt angemeldet.
Lizenzen zum Anbau von TITAN können bei der GfH erworben werden. Ab Frühjahr 2023
wird mit dem Flächenaufbau begonnen, und es wird damit gerechnet, dass im ersten Jahr bis
zu 100 ha Junghopfenfläche TITAN ausgepflanzt werden. Bis genügend Erntemengen für alle
Brauer zur Verfügung stehen, können Interessenten versuchsübliche Mengen über die GfH
oder die Hopfenhandelshäuser aus den Großflächenversuchen erhalten.
Zusammenfassung
Mit TITAN kommt eine Zukunftssorte im Hochalphabereich auf den Markt, die
Hopfenpflanzer wie Brauer überzeugen wird. TITAN steht für stabil hohe Erträge auch bei
Klimastress, verbesserte breite Krankheitsresistenzen sowie für eine nachhaltige,
umweltfreundliche Hopfenproduktion, ohne auf die hervorragenden Braueigenschaften von
Herkules verzichten zu müssen. TITAN ist ein weiterer Baustein, um den deutschen
Hopfenanbau fit für die Zukunft zu machen.
Walter König
www.hopfenforschung.de
Zum Download: Beschreibung Titan