Bio mit Gesicht
Durch das Reinheitsgebot haben deutsche Biere bei den Verbrauchern einen so guten Ruf, dass es Biobiere am Markt schwer haben. Um die Nachverfolgbarkeit von Bioprodukten zu ermöglichen, wurde im Jahr 2005 eine Initiative ins Leben gerufen, an der sich auch Brauer, Mälzer und Bauern beteiligen können. In B&B erklären einige von ihnen, warum sie dies tun und wie es mit Bioprodukten, insbesondere mit Biobier, weitergehen wird.
Normalerweise findet man auf dem Etikett einer Bierflasche ein paar schöne Sprüche, die Liste der Zutaten und das Mindesthaltbarkeitsdatum. Auf dem Etikett der Potsdamer Stange, einem hellen, mit Weizenmalz gebrauten Kellerbier, steht noch etwas anders: eine siebenstellige Ziffer, die man auf der Internetseite „bio-mit-gesicht.de“ eingeben kann. Wer dies tut, wird zu einer Seite weitergeleitet, auf der fünf Gesichter den Betrachter freundlich anlächeln. Zwei dieser Gesichter gehören Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler, den Gründern und Geschäftsführern der Potsdamer Braumanufaktur. „Wir haben das Bier gebraut“, steht über dem Bild. Mit der Initiative „Bio mit Gesicht“ können Biertrinker nachvollziehen, woher die Rohstoffe stammen, mit denen ihr Bier gebraut wurde. Ins Leben gerufen wurde sie unter anderem von Naturland.
Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler brauen seit 2003 im alten Forsthaus Templin. Von Anfang an brauen sie nach den Vorgaben von Naturland. Warum? „Uns ist es wichtig, dass die Gerste für unsere Biere nicht gespritzt ist und dass sie aus der Heimat kommt. Das ist eine Herzensangelegenheit für uns“, sagt Thomas zu B&B. „Unsere Gewinnmarge ist dadurch nicht so hoch. Aber wir können trotzdem gut davon leben. Eine Maximierung des Gewinns ist nicht alles.“ Zudem verkaufen sie ihr Biobier zu höheren Preisen als die konventionelle Konkurrenz. Aber „der Verbraucher bezahlt es gerne“, meint Thomas.
Scrollt man auf der Seite „bio-mit-gesicht.de“ weiter nach unten, sieht man ein Bild von Thomas und Werner Lang, die in einem Gerstenfeld stehen und dem Betrachter ebenfalls freundlich entgegenlachen. Sie sind die Inhaber der Mälzerei Rhön Malz aus dem unterfränkischen Mellrichstadt. Und sie stellen das Malz her, mit dem Thomas und Jörg ihre Biere brauen. Warum vermälzen sie nach den Vorgaben von Naturland? „Im Jahr 1993 haben wir von der Bayerischen Exportbierbrauerei Roth in der Rhön die Anfrage erhalten, ob wir Biomalz herstellen können“, erklärt Thomas gegenüber B&B. „Nach kurzer Prüfung der damaligen Anforderungen und weil wir dieses Projekt spannend fanden, sagten wir zu.“ Von den Anforderungen an die Produktion von biologisch erzeugtem Malz bis zur Naturland-Zertifizierung sei es dann nur noch ein kleiner Schritt gewesen.
Thomas Lang
Für die Mälzerei bestehen die Vorgaben des Verbandes vor allem in zwei Bereichen. „Wir dürfen die Gerste, die wir erhalten, beim Mälzen nicht schwefeln“, sagt Thomas. „Und wir müssen die Chargen der ökologisch hergestellten Malze von denen konventionell produzierter Malze trennen.“
Hätte nicht auch Rhön Malz höhere Erlöse, wenn sie nicht nach den Naturlandvorgaben arbeiten würden? „In unserer Unternehmensphilosophie als kleine Handwerksmälzerei steht nicht die Gewinnmaximierung“, betont auch Thomas Lang. „Stattdessen stehen bei uns die persönlichen Beziehungen zu unseren Braugerstenerzeugern und unseren Brauereikunden im Vordergrund.“ Dazu kämen Themenkomplexe wie Umweltschutz, geringer CO²-Abdruck oder einfach der Wunsch, bessere Malze herzustellen.
Doch sind ökologisch hergestellte Malze wirklich besser? „Malz, das nach Ökovorgaben verarbeitet wurde, unterscheidet sich von konventionell hergestelltem Malz vor allem durch den ökologischen Anbau auf dem Feld“, sagt Thomas. „Die Felder haben in der Regel eine bessere Fruchtfolge. Daraus resultiert ein gesünderer Boden für die Frucht. So hat Biogetreide meist weniger Fusarien“, eine bestimmte Art von Schimmelpilzen. „Im ökologisch angebauten Getreide gibt es mehr Kräuter, die der Landwirt nicht wegspritzen darf“, erklärt Thomas weiter. „Eine Ökocharge beim Ausweichen in der Mälzerei duftet dadurch. Der ganze Aufwuchs des Getreides ist ein anderer, da eben nicht mit Spritzmitteln eingegriffen werden darf.“ So sei wahrscheinlich auch die Kornzusammensetzung bei Ökogetreide eine andere. „Das ist aber meines Wissens noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen“, meint der Rhön-Malz-Inhaber. Ein Indiz dafür sei aber, dass Ökomalz weniger wiege als konventionelles Malz.
Johanna von Münchhausen
Noch weiter unten auf der Internetseite stehen die Landwirte, die die Gerste anbauen, die Rhön Malz verarbeitet. Zu den Betrieben, die nach Naturland-Richtlinien arbeiten, zählt auch die Schlossgut Alt Madlitz GmbH & Co. KG, ein Ackerbaubetrieb, der 80 Kilometer östlich von Berlin in Brandenburg liegt. Die Betriebsleiterin des Schlossgutes, Johanna von Münchhausen, erklärt, warum sie bei der Initiative mitmacht: „Wir möchten den Verbrauchern zeigen, wer das Getreide für ihr Bier anbaut. Immer noch viel zu selten ist die Rückverfolgbarkeit bei Produkten gegeben. Es ist eine gute Sache, die wir unbedingt unterstützen möchten.“
Alle Bioverbände böten den Landwirten, die ökologisch anbauen wollen, eine Reihe von Vorteilen, sagt Johanna. Dass sie sich für Naturland entschieden haben, „war nicht nur eine Frage der Sympathie, sondern auch der einzelnen Richtlinien, nach denen der Verband arbeitet“. Ihr gefällt die professionelle Beratung, die Getreidevermarktung über die Naturland Marktgesellschaft und die Zusammenarbeit mit Naturland-Legehennenställen. Die Ställe erhalten vom Schlossgut Alt Madlitz Futtergetreide und liefern ihrerseits Geflügelmist. „So wissen wir immer genau, woher unsere Düngemittel kommen“, sagt Johanna.
Die Initiative „Bio mit Gesicht“ wurde im Jahr 2005 von Naturland gegründet, von Bioland, den jeweiligen Marktgesellschaft der beiden Öko-Verbände, von Demeter, den familiengeführten Einzelhandelsunternehmen tegut… und Feneberg, von Ecoinform und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Wie kam es dazu? „Die Naturland Qualitätssicherung arbeitet dafür, die Entstehung eines Naturlandprodukts in allen Zutaten zu deren Ursprung zurückverfolgen zu können“, sagt Martin Volmer, Leiter des Teams „Netzwerker/Qualitätssicherung“ bei Naturland. „Diese Transparenz und die daraus erwachsende Sicherheit wollten wir auch den Kunden ermöglichen. Die Idee war, weg vom anonymen Produkt im Supermarktregal, hin zu einem Produkt zu kommen, bei dem man die Erzeuger kennenlernen kann.“
2.500 Landwirte sind bei Naturland dabei
Die Landwirte müssen zunächst die EU-Öko-Verordnung erfüllen. „Hinzu kommen die Naturland-Richtlinien, die weitreichender und in einigen Punkten strenger sind“, erklärt Martin. „So müssen unsere Mitgliedsbetriebe zum Beispiel komplett auf Bio umgestellt sein.“ Auch die Düngung und die Tierhaltung seien strenger geregelt. So dürfe bei der Düngung kein Klärschlamm eingesetzt werden, und die Stickstoffgaben seien auf 112 Kilogramm pro Jahr beschränkt.
„Brauereien müssen, wie alle 700 Naturland-Verarbeiter, Naturland-Rohstoffe einsetzen und die Naturland-Verarbeitungsrichtlinien einhalten“, fährt Martin fort. „Beim Brauen verzichten Naturland-Brauereien auf einige Filtermaterialien und -verfahren, wie zum Beispiel den Einsatz des Filterkunststoffs PVPP.“
Bei der Initiative „Bio mit Gesicht“ machen etwa 2.500 Landwirte mit. „Bei Bieren gibt es gegenwärtig zwei Brauereien, die teilnehmen“, erklärt Martin. Die Resonanz bei den Verbrauchern sei sehr positiv.
denn’s nimmt Craftbiere in ihr Sortiment auf
Aber wie läuft denn eigentlich das Segment der Biobiere grundsätzlich in Deutschland? Der Anbau von Biogerste macht dem Mälzerbund zufolge einen Anteil von ein bis zwei Prozent am Gesamtmarkt aus – Tendenz steigend. Auch die Sortenvielfalt von Biobieren vergrößert sich derzeit. So hat in diesem Jahr die Biomarktkette denn’s zwei weitere Craftbiermarken in ihr Biobiersortiment aufgenommen. Damit reagiert denn‘s auch auf die zunehmende Verbreitung von Craftbieren. „Als Vollsortimenter bilden wir alle Bereiche des Alltags ab. Daher möchten wir auch mit unserem Biersortiment die Wünsche unserer Kunden erfüllen“, erklärt die Biomarktkette. So gebe es neben glutenfreien und alkoholfreien Biere auch Craftbiere für Kunden, die auf der Suche nach etwas Exklusivem und Unkonventionellem seien.
Und wie geht es weiter mit Biobieren? „Biologischer Anbau ist weiter im Kommen“, sagt Thomas von der Potsdamer Braumanufaktur. „Wer jetzt anfangen wollte, Biobier herzustellen, hätte es schwer, die nötigen Rohstoffe dafür zu bekommen. Wir sind zum Glück durch unseren Verband abgesichert.“
„Die Nachfrage nach Ökoprodukten steigt weiterhin an, wobei die Anbaufläche proportional nicht mitwächst“, sagt auch Johanna vom Schlossgut Alt Madlitz. Hier müsse aber zwischen Bioprodukten (nach EG-Öko-Verordnung) und Ökoprodukten (nach Verband-Richtlinien) unterschieden werden. „Ich würde es begrüßen, wenn weitere Betriebe in Deutschland auf ökologischen Landbau umstellen, bevor die nachgefragten Produkte aus dem Ausland importiert werden müssen“, betont sie. „Hier besteht die Kunst nicht nur darin, die Betriebe umzustellen, sondern langfristig dem ökologischen Landbau treu zu bleiben. Das Interesse zur Betriebsumstellung der konventionellen Kollegen ist in den letzten Jahren stetig gewachsen, sodass wir auch zukünftig mit einer steigenden Produktion nach Verbands-Richtlinien rechnen können. Dies begrüße ich sehr.“
Und wie geht es mit Biobieren weiter? „Wir beobachten, dass in den vergangenen fünf Jahren die Biervielfalt zugenommen hat und zunehmend kleinere Brauereien aktiv werden“, sagt Martin von Naturland. „Gerade diese kleineren Brauereien, die nicht auf Masse produzieren, haben oft auch ein Biobier im Segment. Sie verfahren nach dem Motto: Klasse statt Masse. Dazu passt auch Bio. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt.“
Falk Osterloh