Stilkunde. Witbier

Spritzig, fruchtig und erfrischend – Witbier ist das ideale Sommerbier! B&B-Autor Alexander Sperr erklärt die kuriose Geschichte der Wiederbelebung des Stils in den 1960ern und präsentiert ein preisgekröntes Rezept.
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Spritzig, fruchtig und erfrischend

Spritzig, fruchtig und erfrischend – Witbier ist das ideale Sommerbier! Und wer jetzt zügig noch eines braut, hat welches für Juli und August, denn lange lagern muss es nicht. Um dies zu erleichtern, ist natürlich wieder ein erprobtes und gelobtes Rezept dabei, allerdings nicht meins.

Geschichte

Zur Geschichte des Witbiers gibt es weniger zu berichten, als über die Markengeschichte von Hoegaarden und den Brauer Pierre Celis. Ursprünglich war das Witbier ein mit Gerste und Weizen gebrautes Bier, das statt des Hopfens oder zusätzlich eine Kräutermischung (gruit) zur Verbesserung der Haltbarkeit bekam. Dies ist auch heute noch üblich, man beschränkt sich dabei aber meist auf Koriandersamen und Orangenschalen. Witbier, auch Witte oder bière blanche, lässt auf eine weiße Farbe schließen. Es ist aber – wie beim bayerischen Weißbier – schwer zu sagen, ob der Name vom verwendeten Weizen stammt, von den weißen Schaumbergen bei der Gärung oder vom weißlichen Aussehen der – vor allem im gekühlten Zustand trüben – Biere selbst.

Gebraut wurde es vermutlich schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Der Stil war aber in den 1950er Jahren ausgestorben, bis 1965 der Milchmann der Stadt Hoegaarden (eben jener Pierre Celis) begann, in einem Waschkessel in der Scheune seines Vaters Bier zu brauen. Schon bald darauf erwarb er die Gerätschaften einer stillgelegten Brauerei und braute am 19. März 1965 den ersten Sud Hoegaarden-Bier. Dieses Bier war so erfolgreich, dass Celis 1980 eine neue Brauerei baute, die aber am Ende des Jahrzehnts abbrannte. Da keine Feuerversicherung bestand, war Celis gezwungen, seine Firma an Interbrew (heute AB Inbev) zu verkaufen.

Anschließend gründete er die Celis-Brewery in Austin (Texas) und produzierte dort weiterhin Witbier unter dem Namen „Celis White“. Die Celis Brewery wurde 1996 vom Miller-Konzern übernommen, der sie im Jahr 2000 schloss und 2002 zusammen mit der Marke an die Michigan Brewing Company verkaufte. Celis, der die Markenrechte am „Celis White“ für Europa behalten hatte, ließ nach seiner Rückkehr nach Belgien das Bier von der De Smedt Brauerei weiterbrauen, die allerdings bald darauf von Heineken aufgekauft wurde. Die Markenrechte und das Rezept des „Celis White“ kaufte dann die Brauerei Van Steenberge, die dieses Bier heute immer noch herstellt.

In den letzten 50 Jahren hat sich an der Vielfalt viel geändert. Nicht nur in Belgien ist eine große Bandbreite an Witbieren erhältlich, auch viele Craftbrauer in Deutschland und anderswo produzieren diesen Stil. Bei der Verwendung von Gewürzen dürfte das Wit in Deutschland streng genommen nicht Bier genannt werden: Für das Witbier von Köstritzer, das auch Koriander und Orangenschalen enthält, wurde deshalb eine Ausnahmegenehmigung beantragt und erteilt.

Biersortenbeschreibung

Die folgende Beschreibung erfolgt teilweise in Anlehnung an die des BJCP, diese ist zu finden unter: www.bjcp.org/2008styles/style16.php.

Die sehr helle Farbe des Witbiers kann von strohfarben bis hin zu einem sehr hellen Goldton reichen. Aufgrund der enthaltenen Hefe und des hohen Anteils an Weizenrohfrucht ist es sehr trübe, wodurch es milchig erscheinen kann. Der Schaum ist dicht, weiß, fein und recht lange haltbar. Geruch und Geschmack sind leicht süßlich und weisen oft Honig- und/oder Vanillenoten auf. Witbier kann außerdem etwas getreidige Weizenaromen besitzen und durch den Koriander auch leicht parfümiert wirken. Fruchtige Komponenten beziehungsweise Zitrusfrüchte wie Orangen sind zu riechen und zu schmecken, außerdem oft Aromen von Kräutern, Gewürzen oder Pfeffer. Diese sollten – wie auch ein optionales würziges Hopfenaroma – gut ausgewogen sein und nie in den Vordergrund treten. Witbiere können (wegen der Milchsäure) außerdem leicht säuerlich sein. Diacetyl sollte nicht vorhanden sein, ebenso wenig Gemüse-, Schinken- oder Seifengeschmack, der durch die verwendeten Kräuter auftreten könnte.

Die Vollmundigkeit soll gering bis moderat sein, die Biere sind eher trocken und leicht säuerlich im Abgang, was durch die kräftige Rezens noch verstärkt wird. Oft ist eine gewisse Cremigkeit vorhanden, keinesfalls sollen die Biere aber trocken oder dünn sein oder dick und mastig. Insgesamt sind es also erfrischende, fruchtige und in vieler Hinsicht ausgewogene Biere mittlerer Stärke. Sie unterscheiden sich hauptsächlich durch die unterschiedlichen Gewürzcharaktere, auch die Säure kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Verschiedene Koriandersorten können auch zu unerwünschtem Schinken- oder Selleriegeschmack führen, hier ist bei Auswahl und Dosierung Vorsicht geboten.

Zutaten: rund 50 % unvermälzter Weizen (traditionell Winter-Weichweizen), helles Gerstenmalz (üblicherweise Pilsener Malz), in manchen Varianten 5-10 % Hafer (oder Haferflocken), Gewürze: Koriander, Bitter- oder Süßorangenschalen, gelegentlich auch Kamille, Kreuzkümmel, Zimt, Paradieskörner. Verwendet wird eine spezielle obergärige Hefe, die den Gewürzcharakter unterstützt, in manchen Fällen wird auch eine sehr begrenzte Milchsäuregärung durchgeführt oder direkt Milchsäure zugesetzt.

Hefe: obergärige Hefe
Stammwürze: 11 – 13 °P
Restextraktgehalt: 2,0 – 3,0 °P
Hopfenbittere: 10 – 20 IBU, mild
Hopfenaroma: gering bis nicht vorhanden
Vollmundigkeit: gering
Rezens: hoch
Bierfarbe: 4 – 8 EBC, sehr hell bis sehr hell golden
Alkohol: 4,5 – 5,5 Vol.-%

Kommerzielle Beispiele: Hoegaarden Wit, Celis White, St. Bernardus Blanche, Blanche de Bruxelles, Köstritzer Witbier, Blanche de Namur, Dogfish Head Namaste, Wittekerke, Victory Whirlwind Witbier, Evil Twin Nomader Wit, Pax Bräu From Asia with Love

Braurezept

Das folgende Rezept wurde vom Hobbybraukollegen Stefan Göpper auf www.maischemalzundmehr.de veröffentlicht und beruht weitgehend auf einem Rezept von Hubert Hanghofer, das auf www.netbeer.org zu finden ist. Stefan hat ein bisschen anders gehopft, was bei der geringen Hopfenmenge und diesem Bierstil nicht ins Gewicht fällt. Außerdem hat er statt Sauermalz Milchsäure zur Senkung der Restalkalität des Brauwassers verwendet, wodurch sich die Schüttungsanteile leicht verändern.

Zutaten
für 50 Liter Witbier mit Stammwürze: 12 °P
Alkohol: 5,0 % Vol.
Bittere: 18 IBU
Farbe: ca. 6 EBC

33 Liter Wasser (Hauptguss)
28 Liter Wasser (Nachgüsse)
Anpassung der Restalkalität mit Milchsäure und ggf. Kalziumchlorid auf ca. 3,4 °dH.

Schüttung
5,2 kg Pilsener Malz
3,8 kg Weizenrohfrucht (andere Einstellung der Mühle!)
0,5 kg kernige Haferflocken

Hopfen/Gewürze
53 g Hallertauer Perle mit 7 % Alphasäure (bei Hanghofer Yakima Kent Goldings und Mühlviertler Selekt)
24 g getrocknete Bitterorangenschalen
19 g indische Koriandersamen (gemörsert) (bei Hanghofer bulgarischer Koriander)

Hefe
WYEAST #3944 – Belgian Witbier oder #3463 – Forbidden Fruit

Würzebereitung
Einmaischen auf 40 °C, sofort weiter heizen
Aufheizen auf 50 °C, Rast 20 Minuten
Aufheizen auf 55 °C, Rast 20 Minuten
Aufheizen auf 62 °C, Rast 30 Minuten
Aufheizen auf 70 °C, Rast 20 Minuten oder bis jodnormal (das funktioniert trotz des hohen Rohfruchtanteils)
Abmaischen bei 78 °C
Läuterruhe 15 Minuten, Abläutern und Nachgüsse mit 78 °C

Kochen
Gesamtkochdauer 90 Minuten
Den gesamten Hopfen zu Kochbeginn
Orangenschalen 10 Minuten vor Kochende
Koriandersamen 5 Minuten mitkochen
Gegebenenfalls Verdünnung mit Wasser auf die gewünschte Stammwürze von 12 °P (bei Hanghofer 12,2 °P).

Gärung/Reifung
Anstellen und Hauptgärung bei max. 22 °C (Hanghofer: 16 °C für zwei Wochen).
Abfüllung mit Haushaltszucker-Lösung oder Speise, Karbonisierung auf ca. 6,5 g CO2 pro Liter.
Das Bier kann bereits direkt nach der Nachgärung getrunken werden. Eine anschließende Kaltlagerung für zwei Wochen ist aber sicher kein Fehler, da hierdurch die Kohlensäure besser eingebunden wird.

Hinweise
Das Rezept erfreut sich großer Beliebtheit – nicht nur in Hobbybrauerkreisen. Hobbybraukollege Frank Bittner hat mit einer leichten Abwandlung (21 IBU und Verwendung der Verbidden Fruit-Hefe) den Hobbybrauer-Wettbewerb bei Camba Bavaria gewonnen und durfte das Rezept auf der dortigen 10-hl-Anlage noch einmal brauen. Hubert Hanghofer berichtete, dass die 1516 Brewing Company in Wien 2 Sude à 10 hl seines Originalrezepts mit relativ hohem Aufwand nachgebraut hat. Hierzu wurde eigens eine hergeführte #3944-Hefe direkt von Wyeast in Oregon bezogen.

Alexander Sperr

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