Wie kommt es zur Bildung von Fehlaromen im Bier – und wie kann man sie vermeiden?
In der letzten Ausgabe von B&B haben wir gezeigt, welche Aromastoffe bei der alkoholischen Gärung produziert werden und welchen sensorischen Einfluss sie auf das Bieraroma haben. Auch in dieser Ausgabe geht es in der Frage des Quartals um Aromen – allerdings um die weniger schönen.
Bier beinhaltet sehr viele verschiedene Aromen, die in ihrem Zusammenspiel über den Charakter des Produkts entscheiden. Kommt es durch ungünstige Bedingungen zur Bildung sensorisch relevanter Mengen unerwünschter Aromastoffe, spricht man von einem Fehlaroma. Neben der Auswahl der Rohstoffe und deren Verarbeitung im Heißbereich stellt die Gärung einen entscheidenden Prozessschritt in der Bierherstellung dar, welcher einen großen Einfluss auf das resultierende Bieraroma hat. Abgesehen von Alkohol und CO2 entstehen bei der alkoholischen Gärung auch einige hundert Aromastoffe. Höhere Alkohole, flüchtige Ester und Phenole prägen das typische Aromaprofil eines Bieres. Darüber hinaus gibt es jedoch Substanzen, insbesondere Gärungsnebenprodukte, die bei der Überschreitung ihres Schwellenwertes den Gesamteindruck negativ beeinflussen. Im Folgenden werden einige Fehlaromen beispielhaft beschrieben.
Dimethylsulfid
Der Grundstein für die Entstehung von Dimethylsulfid (DMS) wird bereits im Mälzungsprozess gelegt. Es handelt sich dabei um eine Schwefelverbindung, deren geruchloser Vorläufer S-Methyl-Methionin bereits während der Keimung entsteht. Temperaturen von über 70 °C führen dann zur Bildung von freiem DMS (Thermolyse). Während des Abdarrens des Malzes und des Würzekochens wird der Vorläufer gespalten und freigesetztes DMS, insbesondere während des Würzekochens, durch Verdampfung ausgetrieben. Tritt die Schwefelverbindung in geringem Maße auf, kann sie durchaus einen positiven Beitrag zum Gesamtaroma heller Lagerbiere leisten. Wird die Geruchsschwelle überschritten, kann DMS vor allem in untergärigen Bieren ein Fehlaroma hervorrufen, das an gekochtes Gemüse beziehungsweise gekochten Mais erinnert.
• Aromaeindruck: gekochtes Gemüse beziehungsweise Mais
• Leitsubstanz: Dimethylsulfid (C2H6S)
• Typische Konzentration im Bier: 0,01–0,2 mg/l
• Geruchsschwellenwert im Bier: etwa 0,1 mg/l
Ursache für erhöhte DMS-Gehalte im fertigen Bier können demzufolge zu schonendes Abdarren des Malzes (hohe Gehalte an DMS-Vorläufer im Malz), ungenügendes Würzekochen (hohe Gehalte an DMS-Vorläufer in der Heißwürze) oder zu lange Standzeiten im Whirlpool sein. Einer übermäßigen Neubildung im Whirlpool kann durch eine Vorkühlung der Würze vor der Whirlpoolrast oder eine anschließende Nachverdampfung entgegengewirkt werden. Neben dem Eintrag durch die Rohstoffe kann DMS außerdem als Nebenprodukt des Stoffwechsels von Würzebakterien (Enterobacteriaceae) anfallen.
Diacetyl
Diacetyl ist ein Stoffwechselprodukt der Hefe, das während der Gärung gebildet wird. Aus chemischer Sicht gehört die Verbindung zur Gruppe der Ketone und wird aus dem Stoffwechselzwischenprodukt Acetolactat gebildet. Ketone sind chemische Verbindungsklassen, die sich zu Alkoholen reduzieren lassen. Sie sind leicht flüchtig und besitzen oft einen charakteristischen, intensiven Geruch. Diacetyl besitzt ein ausgeprägtes Butteraroma. Auch im Bier wird mit der Überschreitung des Geruchsschwellenwertes, der jedoch in Abhängigkeit des Biertyps und der individuellen Sensitivität des Konsumenten variieren kann, eine buttrige Note wahrgenommen. In geringen Konzentrationen wird dieser Aromastoff nicht als störend empfunden, sondern trägt zum positiven Gesamtprofil eines Bieres bei. Vereinzelt gibt es auch Biere, für die das Butteraroma in wahrnehmbarer Konzentration gar als bierstiltypisch gilt. Ein unangenehm hohes Niveau ist jedoch oftmals ein Indikator für Nährstoffdefizite bei der Fermentation, insbesondere im Hinblick auf die Verfügbarkeit niedermolekularer Stickstoffverbindungen, sowie ein Hinweis auf eine falsche Gärführung beziehungsweise eine ungenügende Aktivität der Hefe.
• Aromaeindruck: Butteraroma
• Leitsubstanz: 2,3-Butandion (C4H6O2)
• Typische Konzentration im Bier: 0,01–1 mg/l
• Geruchsschwellenwert im Bier: etwa 0,08 mg/l
Da die Produktion bereits in der Genetik einer Hefe angelegt ist, ist Diacetyl natürlicherweise in allen Bieren enthalten. Es handelt sich hierbei um ein Zwischenprodukt, das normalerweise zu 2,3-Butandiol reduziert wird. Die Konzentration wird allerdings auch durch die Zusammensetzung der Würze entscheidend beeinflusst. Ein hoher Anteil an verwertbaren Eiweißverbindungen führt bereits zu einer geringeren Bildung von Diacetylvorläufersubstanzen. Voraussetzung hierfür ist die Verwendung gut gelöster Malze oder eine ausgeprägte Eiweißrast beim Maischen. Die Hefe, die zunächst für die Bildung von Diacetyl aus der Vorläufersubstanz Acetolactat verantwortlich ist, kann und soll diesen typischen Jungbukettstoff während der Gärung und Reifung wieder abbauen. Somit ist die Verwendung einer vitalen Hefe Voraussetzung für einen schnellen Diacetylabbau. Wird eine sogenannte Staubhefe verwendet, deren Zellen fein verteilt während der Reifung in Schwebe bleiben, führt das zu einer schnellen Reduktion des Diacetyls zu Acetoin, das einen weitaus höheren Schwellenwert besitzt. Des Weiteren können Reifungstemperaturen bis zu 20 °C den Diacetylabbau beschleunigen. In seltenen Fällen kann aufgrund unzureichender Betriebshygiene eine Kontamination auftreten, zum Beispiel durch Pediokokken oder Laktobazillen, die ebenfalls zur Bildung von Diacetyl führen kann.
Acetaldehyd
Acetaldehyd ist ein Aromastoff, der in höheren Konzentrationen an grünen Apfel erinnert. Diese Verbindung stellt ein Zwischenprodukt bei der Umwandlung von Zucker zu Ethanol dar. Der typische Jungbiercharakter wird maßgeblich davon geprägt. Bereits nach wenigen Gärtagen wird ein dezent fruchtiges Aroma wahrgenommen, das teilweise als stechend empfunden wird.
• Aromaeindruck: Grüner Apfel (stechend)
• Leitsubstanz: Acetaldehyd (C2H4O)
• Typische Konzentration in Bier: 1–50 mg/l
• Geruchsschwellenwert im Bier: 5–15 mg/l
Acetaldehyd, auch Ethanal genannt, stellt eine Vorläufersubstanz im Verlauf der alkoholischen Gärung dar. Während der Reifung wird sie von der Hefe zu Ethanol reduziert, sodass Acetaldehyd unterhalb seiner Geruchsschwelle vorliegt. Bei zu kurzen Lagerzeiten kann Acetaldehyd nicht ausreichend abgebaut werden. Bei zu hohen Sauerstoffbelastungen ist die Umkehrung dieser Reaktion möglich, und Ethanol wird wieder oxidiert.
Die Bildung von Acetaldehyd wird maßgeblich durch die Vitalität der Hefe beeinflusst. Vitale Hefen mit einem hohen Anteil lebender Zellen erzeugen weniger Acetaldehyd. Zudem weisen wärmer vergorene Biere einen deutlich geringeren Gehalt an Acetaldehyd auf. Für den typischen stechenden Geruch können ebenfalls bei mangelhafter Hygiene bierschädliche Mikroorganismen wie Fremdhefen verantwortlich sein.
Julia Steiner, Florian Lehnhardt, Kai Büchner
Julia Steiner
ist Doktorandin am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der TU München und leitet seit mehr als zwei Jahren den Aufgabenbereich Sensorik.
Florian Lehnhardt
ist Lebensmitteltechniker und promoviert am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie in Weihenstephan zu dem Thema Alterungsstabilität von Bieren.
Kai Büchner
lernte den Beruf des Brauers und Mälzers. Danach studierte er Brauwesen und Getränketechnologie an der TU München. Seit 2017 promoviert er am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie über Glutenanalytik.