Nur die Besten werden ausgebildet
In der deutschen Bierbranche sind die Biersommeliers als Bier- und Sensorikexperten kaum noch wegzudenken. Auch in anderen Länder sind seit einigen Jahren Ausbildungen zu Bierverkostern ausgesprochen erfolgreich. B&B-Autor Volker R. Quante, der beruflich lange Zeit in Osteuropa lebte, hat die polnische Ausbildung zum Bierverkoster absolviert. In B&B erzählt er, worum es dabei ging und wie sich die Ausbildung in unserem Nachbarland von der deutschen unterscheidet.
Der Spaß am Hobbybrauen und die Liebe zu neuen, kreativen Bieren kennen in unserem Nachbarland Polen keine Grenzen. Mehrere tausend Hobbybrauer gibt es mittlerweile, viele von ihnen haben sogar schon den Schritt zur kommerziellen Produktion eigener Biere gemacht. Über das Jahr verteilt finden im ganzen Land mehr als ein Dutzend große und hervorragend organisierte Hobbybrauwettbewerbe statt und wer regelmäßig an diesen Wettbewerben teilnimmt, hat die Chance, den Pokal „Hobbybrauer des Jahres“ zu bekommen. Doch wer sind die Personen, die über die Qualität der eingereichten Biere entscheiden?
Die 2010 gegründete Polnische Hausbrauervereinigung (Polskie Stowarzyszenie Piwowarów Domowych – PSPD) hat bereits 2011 damit begonnen, in enger Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftsakademie SGGW in Warschau Verkoster auszubilden und zu zertifizieren – gewissermaßen als Gegenstück zu den Biersommeliers, die wir in Deutschland kennen.
Vorauswahl durch gebührenpflichtigen Online-Test
Die erste Herausforderung, die jeder zukünftige Verkoster meistern muss, ist ein gebührenpflichtiger Online-Test, in dem gewisse Grundkenntnisse der Sensorik und ein Basiswissen über den Bierbrauprozess abgefragt werden. Der Test umfasst Fragen aus den Themenbereichen Bierstile, Brauwesen (Rohstoffe, Maischverfahren, Schritte der Bierherstellung), Bierfehler, Verkostungssystematik, Organisation von Hausbrauwettbewerben und Sensorik (Grundsätze und Techniken der Bierverkostung, Funktion der Sinnesorgane). Zur Vorbereitung auf diesen Test stellt die PSPD Materialien zum Selbststudium auf ihrer Website zum Download zur Verfügung, die all diese Themenbereiche detailliert abdecken.
Die besten siebzehn Absolventen dieses Tests werden dann zum Verkosterlehrgang eingeladen. Dieser kann sich auf die nachgewiesenen Vorkenntnisse stützen und dadurch verhältnismäßig straff durchgeführt werden. Zunächst finden unter Laborbedingungen einige Eingangstests statt, während derer die Teilnehmer ihre grundsätzliche Fähigkeit nachweisen, gewisse Grundaromen und ‑geschmäcker wahrzunehmen. Wer hier signifikante Schwächen aufweist (es gibt beispielsweise Menschen, die Bitterstoffe erst in sehr hohen Konzentrationen wahrnehmen können), kann die Ausbildung nicht weiter fortsetzen und bekommt die vorausbezahlten Kursgebühren erstattet.
Separate Testplätze
Biere objektiv bewerten
In den folgenden zwei bis drei Tagen wechseln sich Vorträge und praktische Ausbildungsanteile ab. Hochschuldozenten, Qualitätsmanager und erfahrene Brauer erklären, welchen Einfluss gewisse Herstellungsverfahren auf den Geschmack des fertigen Biers haben, wie sich die Verwendung bestimmter Rohstoffe auf das Aromaspektrum auswirkt und welche Fehlgeschmäcker entstehen können, wenn im Rahmen der Qualitätssicherung schlampig gearbeitet wird. Aufgelockert werden diese theoretischen Ausbildungsanteile durch Verkostungen, im Rahmen derer verschiedene Biere, die mit gezielten Fehlaromen „geimpft“ oder gezielt fehlerhaft eingebraut worden sind, bewertet und beschrieben werden müssen. Im Laufe des Lehrgangs werden die Aromenkonzentrationen immer weiter heruntergesetzt und gelegentlich verschiedene Fehlaromen miteinander kombiniert, um die Teilnehmer vor immer neue Herausforderungen zu stellen.
Ziel ist es, dass der zertifizierte Verkoster in der Lage ist, unabhängig von seinen persönlichen Präferenzen ein Bier gemäß der für einen gegebenen Bierstil definierten Parameter zu bewerten, Abweichungen zur Stildefinition zu beschreiben, Fehlaromen zu identifizieren und deren mögliche Ursachen anzugeben und schließlich innerhalb eines Stils eine möglichst objektive Reihung der eingereichten Biere vorzunehmen.
Das Zertifikat
Examen muss alle drei Jahre wiederholt werden
Am Ende des Lehrgangs bekommen die Teilnehmer noch eine Reihe von zusätzlichen Materialien mit (einschließlich eines Bieres, das sie als Hausarbeit mithilfe des Standardprüfbogens der PSPD bewerten müssen) und stellen sich dann rund drei Wochen nach dem Lehrgang einer theoretischen und praktischen Prüfung. In einem Multiple-Choice-Test werden die vermittelten theoretischen Grundlagen abgeprüft und in einer praktischen Verkostung unter Bedingungen, wie sie auch bei einem Hausbrauwettbewerb herrschen, müssen die Teilnehmer nachweisen, dass sie ein eingereichtes Bier fachlich und sensorisch korrekt beschreiben können. Erst nach Bestehen dieser Prüfung bekommen sie das begehrte Zertifikat überreicht – aber nur für begrenzte Zeit. Alle drei Jahre ist das Examen erneut abzulegen und – natürlich – zu bestehen.
Über 250 Verkoster hat die PSPD mittlerweile ausgebildet. Viele von ihnen nutzen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht nur in Bierwettbewerben, sondern auch als Organisatoren von Bierverkostungen, Brauseminaren oder Beer-Food-Pairing Veranstaltungen. Ich selbst war Teilnehmer des ersten Verkosterlehrgangs der PSPD und habe seitdem an zahlreichen Bierwettbewerben als Verkoster teilgenommen.
Volker R. Quante