In Deutschland weitgehend unbemerkt hat die Transformation der italienischen Bierkultur bereits vor etwa 20 Jahren ihren Anfang genommen. Heute liegt der Marktanteil von Craftbier in Italien bei circa 20 Prozent, und eine Vielzahl von neuen, kleinen Brauereien machen das Land noch schöner, als es ohnehin schon ist. Für B&B empfiehlt Manuele Colonna, Inhaber der „Birra“-Bar in Berlin, seine liebsten vier Craftbrauereien Norditaliens. Ab in den Urlaub!

Birrificio Italiano

Wir befinden uns im Jahr 1994 n. Chr. Ganz Italien ist im Griff von industriell hergestelltem Lagerbier… Ganz Italien? Nein! Als selbst in den USA die Craftbierbewegung noch in den Kinderschuhen steckte, hatte sich Agostino Arioli bereits in Bier verliebt. Er wurde zum Hobbybrauer und er probierte jedes Bier, dessen er habhaft werden konnte. In den frühen 1990er-Jahren waren das in Italien allerdings noch nicht allzu viele. Ein Praktikum in einer industriellen italienischen Brauerei und ein Besuch in der kanadischen Granville Island Brewery später, entschied er sich, den Sprung zu wagen und im Weintrinkerland Italien Bier zu brauen, das die Italiener noch nicht gesehen hatten: nicht filtriert, nicht pasteurisiert, ohne Stabilisatoren und Zusätze. Dafür mit Geschmack. „Es war eine große Aufgabe“, sagt Agostino heute, „weil wir etwas ganz Neues erdenken mussten, das es bis dahin in Italien noch gar nicht gab. Einerseits war das sehr anstrengend. Andererseits hatten wir aber komplette Freiheit, mit neuen Stilen oder Gärungsarten zu experimentieren.“ Denn in Italien habe es bis dahin keine wirkliche Biertradition gegeben. Diese Freiheit sei, früher wie heute, das Hauptmerkmal der neuen italienischen Bierkultur.

1994 gründete Agostino seine Birrificio Italiano (was „italienische Brauerei“ bedeutet), 1996 kam der Brewpub hinzu. Bekannt sei die Birrificio Italiano vor allem für ihr Lager, meint Agostino, zum Beispiel für das Flaggschiff der Brauerei, das Tipopils, das erste kaltgehopfte Pils. Heute braut die Birrificio, gelegen nordwestlich von Mailand im malerischen Lugano Marinone, eine große Anzahl von Bieren, darunter auch fassgereifte Biere mit Lactobacillen oder Brettanomyceshefen. „Mein Ziel war es“, sagt Agostino, „einen Platz zu haben, an dem ich die Biere brauen kann, die ich immer trinken wollte: Biere mit hoher drinkability, Balance und Eleganz.“ Das hat er geschafft. Und nebenbei die Craftbierbewegung in Italien mit begründet. In Deutschland ist vor allem das Vudu zu bekommen, ein wirklich sensationelles dunkles Weißbier. Es wird von Braufactum vermarktet.

Manuele sagt: In der Birrificio Italiano wird das beste flaschengereifte Bier Italiens gebraut.

Lover Beer

Zehn Jahre lang hatte Valter Loverier als Hobbybrauer Bier in seinen eigenen vier Wänden gebraut. Dann, im Jahr 2009, eröffnete er seine eigene Brauerei LoverBeer in Marentino, ein paar Kilometer östlich von Turin. Seine Philosophie ist es, die ursprüngliche Art der Bierherstellung mit den Rezepten aus seiner Heimat Piemont zu verbinden, die insbesondere für ihre großen Weine bekannt ist. Die Biere von LoverBeer sind vor allem Sauerbiere. Gebraut werden sie mit spontaner oder gemischter Gärung, manche lagern 16 Monate in den Fässern. Zum Einsatz kommen beim Brauen auch Holz und Früchte, zum Beispiel Weintrauben. Die Brauerei ist heute eine kleine Familienbrauerei mit zwei Mitarbeitern: Valter und seine Frau Elena. Mit ihren Bieren wollen sie immer etwas Neues kreieren, das selbst erfahrene Biertrinker noch überraschen kann. LoverBeer hat einen Ausstoß von etwa 300 Hektoliter pro Jahr. Das Bier wird vor allem in Italien verkauft, aber auch in den USA, in Japan, Australien oder Belgien und manchmal auch in Deutschland.

Manuele sagt: Das beste Sauerbier Italiens kommt von LoverBeer.

Birra Elvo

In seinem früheren Leben hat Josif Vezzoli Musikstudios entworfen und gebaut. Zusammen mit seinem Bruder Raoul hat er sich dann jedoch dazu entschlossen, eine eigene Brauerei zu gründen. Auch sie hat er selbst entworfen und gebaut. Im Jahr 2013 wurde sie geöffnet. Geführt wird sie von Josif und Raoul sowie ihren Frauen. Das Besondere an der Brauerei sei, sagt Josif, dass das Wasser, das sie verwenden, ausgesprochen weich sei und sich somit gut zum Brauen von untergärigen Bieren eigne. Gebraut werden sechs deutsche Stile mit einem leichten italienischen Einschlag: ein Pils, ein Weizen, ein Märzen, ein Schwarzbier, ein heller und ein dunkler Bock. Die Biere werden lange gelagert. Im Jahr 2017 werden bei Elvo etwa 1.500 Hektoliter gebraut werden – Tendenz steigend. Verkauft wird das Bier vor allem in Bierbars und -shops, aber auch in Restaurants und Pizzerien der Region. Die Brauerei liegt in Graglia, ein paar Kilometer westlich von Mailand.

Manuele sagt: Ich liebe fränkisches Bier. Von Elvo kommt das beste Bier Italiens, das nach fränkischem Stil gebraut wird.

Hammer

Im Jahr 2015 machten Fausto, Roberto und Angelo Brigati in Villa d’Adda nordöstlich von Mailand ihren Traum von der eigenen Brauerei wahr. Ihr Ziel war recht einfach und doch so schwer: Großartige Biere zu brauen. Das klappt bislang gut. Denn in kurzer Zeit hat sich Hammer in Italien einen Namen gemacht. Bekannt ist die Brauerei vor allem für ihre sauberen, kraftvollen Ales, allen voran die IPAs. Braumeister Marco Valeriani braut etwa 3.500 Hektoliter pro Jahr. Die Biere werden insbesondere in Italien verkauft. Der größte Markt ist Rom. Zu erhalten sind die Biere auch in Spanien, Polen, Österreich, England, in der Schweiz und in Deutschland (zum Beispiel im „Birra“).

Manuele sagt: Die besten hopfenbetonten Ales Italiens kommen von Hammer.