Bayerisches Bier würdig vertreten
In diesem Jahr wurde in Bayern zum zehnten Mal eine Bierkönigin gewählt. Das Jubiläum gibt Anlass, einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Fünf ehemalige Königinnen erzählen, wie eine Wahl abläuft, was sie während ihrer Regentschaft alles erlebt haben und wie die Zeit als Bayerische Bierkönigin ihr weiteres Leben geprägt hat.
Es ist gar nicht so einfach, als Kandidatin für das Amt der Bayerischen Bierkönigin kurz vor der finalen Kür die Ruhe zu bewahren. Immerhin haben sich im Festsaal des Löwenbräukellers in München über 500 Gäste eingefunden, Freunde und Bekannte der Kandidatinnen sind darunter und viel Prominenz aus Bayern. Direkt vor der Bühne sitzt eine fünfköpfige Expertenjury. Und auf der Bühne stellt sich jede Kandidatin einzeln vor, auch durch ein vorab gefilmtes Video. Zu guter Letzt verkostet jede ein blind ausgewähltes Bier und hat drei Minuten Zeit, spontan etwas über seine Herstellung, seine Sensorik und seinen Geschmack zu erzählen, um sich dann den kniffligen Fragen der Jury zu stellen.
Die 21-jährige Veronika Ettstaller aus Gmund am Tegernsee macht ihre Sache dabei recht gelassen und mit natürlichem Charme, verkostet souverän einen Weizeneisbock, beschreibt eloquent die Eigenheiten dieses Biers und schlägt dazu passende Gerichte vor. Und zwischendurch streut sie auch noch ein paar ganz spezielle Weisheiten ein: „Unter uns: Das beste Bier ist immer noch das Freibier!“
Ja, etwas Humor und Schlagfertigkeit hat noch keiner Regentin geschadet. Die sieben Kandidatinnen bei der diesjährigen Wahl begeisterten das Publikum im Laufe des launigen Abends allesamt, aber am Ende konnte es nur eine geben: Veronika Ettstaller gewann die Wahl zur Bayerischen Bierkönigin 2019. Und musste dabei einige von ihren Qualitäten überzeugen. Zu jeweils einem Drittel bestimmen ein Online-Voting, die Jury und das Publikum im Saal, wer den Titel bekommt – Ettstaller lag mit 34,2 Prozent in der Endabstimmung vorne und hatte zuvor auch knapp das Online-Voting gewonnen.
So durfte sie strahlend Platz auf dem Thron nehmen und bekam sichtlich gerührt von ihrer Vorgängerin Johanna Seiler die Krone aufgesetzt. Mit ihrer Wahl gab es zudem ein Jubiläum zu feiern: Zehn Jahre Bayerische Bierkönigin! Ein leicht nostalgischer Rückblick bietet sich da an: auf die Ursprünge des Wettbewerbs, auf die Erlebnisse der Amtsträgerinnen während ihrer Bewerbung und Amtszeit. Und auf die Auswirkungen der Zeit als Bayerische Bierkönigin auf das weitere Leben.
Zehn bayerische Königinnen: Barbara Schmid (geb. Hostmann), Tina-Christin Rüger, Lena Hochstraßer, Johanna Seiler, Veronika Ettstaller, Sabine-Anna Ullrich, Maria Krieger, Franziska Sirtl, Marlene Speck, Barbara Stadler (v.li.)
Wie alles begann
Ganz am Anfang stand die Idee: 2009 initiierte der Bayerische Brauerbund erstmals die Wahl zur Bayerischen Bierkönigin. Gesucht wurde dabei eine Repräsentantin aller bayerischen Brauereien und Regionen, eine gleichzeitig traditionsbewusste wie mitten im Hier und Jetzt stehende Frau, die das bayerische Bier nicht nur innerhalb der Landesgrenzen, sondern auch in der Welt würdig vertritt, sich mit den Hopfen- und Malzsorten, dem Brauprozess und den verschiedenen Bieren auskennt. Die Aufgabe ist schön und herausfordernd zugleich: Rund 100 Termine stehen während der einjährigen Amtszeit an, sowohl bei der Eröffnung des Oktoberfests und in diversen Brauereien der Region als auch außerhalb Bayerns. Zu den Reisen innerhalb von Europa gehört jene zur bayerischen Vertretung der EU in Brüssel. Doch es geht noch weiter in die Welt hinaus, zum Beispiel in die USA und nach Asien.
Ihre Majestät aus Bayern muss also einiges leisten, hat dabei aber auch eine „umwerfende Zeit“, wie Franziska Sirtl meint, die erste Bayerische Bierkönigin. Im Jahr 2009 arbeitete die damals 27-jährige Wirtstochter aus Olching als Bankberaterin und steckte gleichzeitig in einem Tourismusstudium. Die Zeit als Bayerische Bierkönigin bezeichnet sie im Nachhinein als „Rausch“, der direkt nach der Wahl begann: „Der Wahlabend ging für mich bis drei Uhr morgens. Drei Stunden später hatte ich meine erste Livesendung im Radio.“ Damals hatte der Bayerische Brauerbund die Amtszeit auf eineinhalb Jahre angesetzt, um sich danach für ein oder für zwei Jahre zu entscheiden. „Wir haben noch viel ausprobiert“, erinnert sich Sirtl. Von 2009 bis 2011 war sie unterwegs und hatte eine dichte, aufregende Zeit. Am Ende aber kamen alle überein, dass ein Jahr Bayerische Bierkönigin ausreicht: „Dieses Jahr ist intensiv und schön genug“, so Sirtl.
Als ihre Nachfolgerin wurde 2012 Barbara Stadler gewählt, die ebenfalls aus einer Wirtsfamilie stammt: Ihren Eltern gehört der Gastronomie- und Hotelbetrieb „Zum Kirchenwirt“ in Anzing. Zur zweimonatigen Vorbereitung fürs Finale gehört für alle Kandidatinnen der gemeinsame Besuch eines Bierseminars im Bayerischen Brauereimuseum im Kulmbacher Mönchshof dazu. „Ich wusste damals zwar schon einiges über Bier“, erzählt Stadler. „Aber die Schulung in Kulmbach war dann noch mal sehr interessant und hilfreich!“
Franziska Sirtl, I. Bayerische Bierkönigin 2009 – 2011
Lebhaft erinnert sich Barbara Stadler an die vielen Reisen. In Amerika findet zum Beispiel alle zwei Jahre der World Beer Cup statt, immer an einem anderen Ort. So war Franziska Sirtl in Chicago und Barbara Stadler in San Diego. „Dort wurden mehrere Biere getestet und in unterschiedlichen Kategorien ausgezeichnet“, sagt Stadler. „Ich war als Vertreterin des bayerischen Biers dabei.“ Auch im chinesischen Fernsehen trat sie einmal auf: „Mir wurde vorher ein chinesischer Dutt gemacht, damit ich ein wenig asiatisch aussehe. Es war schon sehr lustig, sich als Bayerin in China über Bier und bayerisches Brauchtum zu unterhalten.
Repräsentantin und Wissensvermittlerin
Ein gewisser touristischer Part gehört zum Amt der Bayerischen Bierkönigin dazu, meint Barbara Stadler, natürlich auch ein gepflegtes Äußeres und das Tragen von Tracht, was viele der Amtsträgerinnen aber eh schon gewohnt sind. Gleichzeitig spielt immer wieder das eigene Interesse und die Freude am Bier eine große Rolle – das Sprechen über das flüssige Kulturgut, die Lust an der Wissensvermittlung.
Von regelrechter „Aufklärungsarbeit“ spricht Tina-Christin Rüger, die im Jahr 2014 die Wahl gewann und damit die fünfte Bayerische Bierkönigin wurde. Rüger ist gelernte Rettungsassistentin und hat während ihrer Amtszeit gleichzeitig in der „Integrierten Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst“ gearbeitet. Ihre Auftritte als Bierkönigin empfand sie als guten, zugleich aber auch kuriosen Ausgleich: „Einerseits arbeitete ich als Frau weiterhin in einer Männerdomäne. Dabei kommt es vor, dass ich gerade mit Betrunkenen und ,Alkoholleichen‘ konfrontiert werde. Andererseits trat ich nun in High Heels und Dirndl auf und konnte den Leuten erklären, wie angenehm es ist, in kleinen Mengen zu trinken, ja, wie sich diese Vielfalt an Bieren mit allen Sinnesorganen wohl dosiert genießen lässt.“
Mit Tina-Christin Rüger wurde erstmals eine Oberfränkin zur Bayerischen Bierkönigin gewählt. Ihre einjährige Amtszeit hat sie wie alle anderen mit viel Genuss verbracht. „Mein absolutes Highlight war, als Bierkönigin am Wiener Opernball teilzunehmen! Auch die Pekingreise war unvergesslich oder wie ich beim Wiesn-Umzug auf dem Hofbräu-Gespann mitfahren durfte. Neben Terminen wie beim Neujahrsempfang im Landtag hatte ich aber auch sehr herzliche Begegnungen in kleineren Brauereien. Beim Kronacher Schützenfest hatte ich natürlich ein Heimspiel. Das hat mich auch sehr gefreut, dass ich mich bei den Menschen bedanken konnte, die mich gewählt haben.“
Wie der Titel das Leben verändert
Mittlerweile ist sie Botschafterin für ihre Heimatstadt. Sie hat sich federführend dafür engagiert, dass Kronach heute als einer der 100 Genussorte Bayerns zählt. „Ich mache viel für das ,Bierland Oberfranken‘“, erzählt sie. „Und egal, wo ich hinkomme, kennen mich die Leute als die erste Fränkin, die auf dem Bierthron saß.“ Die Zeit als Bayerische Bierkönigin wirkt nach, nicht nur bei ihr, sondern auch bei allen anderen. „Ich habe mich sehr verändert“, meint beispielsweise Franziska Sirtl. „Ich bin durch diese Zeit reifer geworden, selbstbewusster. Nachdem ich so viele Veranstaltungen besucht, so viele Menschen unterschiedlichster Gesinnung getroffen habe, stehe ich jetzt einfach mit beiden Beinen fest im Leben. Früher wusste ich nicht genau, was ich will, und habe auch lange mit mir gehadert, ob ich den elterlichen Betrieb eines Tages übernehmen möchte. Während meiner Zeit als Bayerische Bierkönigin habe ich aber gemerkt, dass die Gastronomie genau das Richtige für mich ist.“
Vor einem Jahr hat Franziska Sirtl den Familienbetrieb übernommen und ist nun Gastwirtin in Olching – ähnlich wie Barbara Stadler, die sich jetzt um den Gastronomie- und Hotelbetrieb in Anzing kümmert. Zusätzlich hat sie in dem Gebäude einen Laden aufgemacht, in dem sie bayerische Lifestyle-Produkte wie trachtige Röcke, Taschen und Hüte anbietet. Auch online ist das Angebot erhältlich: Ihre Internetseite baut Barbara Stadler weiter auf, zusätzlich zu ihrem Online-Blog.
Die Beschäftigung mit dem Bier hat sich bei manchen ins Hauptberufliche ausgeweitet: Marlene Speck aus Starnberg hatte zunächst „interkulturelle Kommunikation“ in Köln studiert. 2015 wurde sie Bayerische Bierkönigin und merkte, „dass mich am meisten die Bierbranche interessiert. Ich habe danach meinen Braumeister bei Doemens in Gräfelfing gemacht.“ Mittlerweile ist sie Dozentin bei Doemens und unterrichtet angehende Biersommeliers in verschiedenen Seminaren.
Andere gingen ihre vorher eingeschlagenen Berufswege zwar weiter, aber der Einfluss der Amtszeit ist deutlich spürbar. Sabine Ullrich wurde 2016 Bierkönigin und unterbrach für die einjährige Amtszeit ihre Ausbildung als Krankenschwester. Derzeit geht sie einem Medizinstudium nach, „aber ich braue mit einem Spezl weiterhin mein eigenes Bier. Hauptberuflich möchte ich in der Medizin bleiben, aber ich habe auch eigene Brauereipläne. Jeder Mensch braucht ein schönes Hobby. Das ist für mich das Bier.“ Ähnlich wie der beim Rettungsdienst arbeitende Tina-Christin Rüger war es Ullrich ein großes Anliegen, sich für maßvollen Konsum einzusetzen: „Bier ist ein wunderbares Produkt, was uns mit der Heimat vereint; ein Genussmittel, dass man aber nicht einfach runterlitern, sondern genießen sollte.“
Eine herzliche Gemeinschaft
Von der Solidarität der Kandidatinnen untereinander schwärmt Sabine Ullrich heute noch. „Es gibt ein schönes Foto von dem Finale, auf dem zu sehen ist, wie eine Kollegin und ich gemeinsam da sitzen und uns die Hand halten. Ich weiß noch, wie sie zu mir meinte: Du wirst das ganz bestimmt!“ Unter den Bayerischen Bierköniginnen hat sich über die Jahre hinweg ein freundschaftliches Band entwickelt. Nicht nur bei den alljährlichen Neuwahlen treffen sie sich, sondern sie sehen sich auch lose während des Jahres, etwa beim Oktoberfest oder beim Brauer-Ski-Cup, der seit 2004 alljährlich im Januar in Rettenberg im Allgäu stattfindet. Brauereiteams aus Deutschland und der Schweiz versammeln sich dort, um sich im Riesenslalom und einer Olympiade zu messen – und zu feiern.
Zur Wahl der neuen, zehnten Bayerischen Bierkönigin waren alle Vorgängerinnen in den Löwenbräukeller gekommen und drückten den Finalistinnen die Daumen. Erstaunt konnte man bei dem unterhaltsamen Abend immer wieder über den Charme und das Fachwissen der Kandidatinnen sein – oder über manche Offenbarung. Befragt zu den Highlights ihrer Amtszeit meinte Johanna Seiler, die als neunte Bayerische Bierkönigin die ganze Welt bereist hatte: „Ich habe mich ein bisschen in die Oberpfalz verliebt.“ Da gab es Jubel, aber auch amüsierte Pfiffe im Saal. Mit Veronika Ettstaller ist eine Oberbayerin im Amt – aber solche regionalen Unterscheidungen spielen im Grunde keine Rolle. Seit zehn Jahren vertritt die Bayerische Bierkönigin ganz Bayern, macht Lust auf wohl dosierten Alkoholgenuss und informiert die Menschen übers bayerische Bier. Hoch lebe die Königin!
Michael Stadler