Zu kühn und zu extrem
Die Nachricht sorgte für Aufsehen. Anfang April erklärte der CEO von Stone Brewing, Greg Koch, sein Unternehmen werde den mühevoll aufgebauten Standort im Süden Berlins an die schottische Brauerei BrewDog verkaufen. B&B-Autor und Berlin-Experte Peter Eichhorn erklärt, wie es dazu kommen konnte und was diese Entwicklung für die deutsche Bierbranche bedeutet.
„Mein Herz ist gebrochen. Es wird wieder heilen, aber ich werde es für eine Weile gebrochen halten“, so schrieb Greg Koch, als er die traurige Nachricht verkünden, ja, die Niederlage eingestehen musste, das ehrgeizige 25-Millionen-Dollar-Projekt in Berlin-Mariendorf zum Mai aufzugeben und an BrewDog zu übergeben.
Häme, Schadenfreude und eine „Ich-habe-es-ja-schon-immer-gewusst“-Attitüde machten sich umgehend in den sozialen Medien breit, nach dem Motto: „Wie konnte der arrogante Ami denken, dass er den Deutschen noch etwas über das Bierbrauen beibringen kann?“
Sicher, als Greg Koch bei der Grundsteinlegung 2014 mit einem Gabelstapler aus der Halle gefahren kam, um mit einem Felsbrocken einen Stapel Industriebiere zu zermalmen, stutzte das deutsche Publikum. Diese Art von Tatendrang, Show, Großspurigkeit und Kraft kannte die schüchterne kleine Craftbierszene damals nicht. Zahllose Brauer stümperten hierzulande noch an IPA-Rezepturen herum, und das breite Publikum lernte Craftbier erst langsam kennen. Greg Koch und Stone Brewing spielten dabei eine große Rolle. So eine Investition, so ein Optimismus, so ein Selbstbewusstsein: Das inspirierte unsere Craftbrauerszene. Ein solches Zugpferd hatte es hier zuvor noch nicht gegeben.
Bestimmt wurden Fehler gemacht
Bestimmt wurden Fehler gemacht und so manche deutsche Befindlichkeit unterschätzt. Greg Koch spricht von einer unsäglichen Bauwirtschaft und kräftezehrender Bürokratie. Aber natürlich ist auch die Lage am Stadtrand, nur mühsam mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar, tückisch für eine gigantische Gastronomie. Womöglich war es auch ein Fehler, mit dem Go To IPA nicht ein Session IPA zu wählen, um den deutschen Markt zu öffnen. Stattdessen standen die geschmacklichen Schwergewichte Cali-Belgique und Arrogant Bastard in Dosen in den Supermarktregalen – zu Preisen, die der Schnäppchen verwöhnte deutsche Biertrinker nicht bezahlen will. Bei den beiden Bieren handelt es sich um Stile, die einem Neuling behutsam nahegebracht werden müssen. So gelangten sie unkommentiert an unbedarfte Gaumen und lösten den „Einmal-und-nie-wieder“-Reflex aus. Es sind zahlreiche Faktoren, die da zusammenkommen. Greg Koch nennt drei: „Wir waren zu groß, zu kühn, zu früh.“
Statt nun zu spotten, sollten wir „Danke“ sagen. Danke, Greg Koch! Danke, Stone Brewing! Eben, weil ihr groß, kühn und früh (und laut) gehandelt habt, seid ihr ein Wegbereiter zu mehr Biervielfalt in diesem Land geworden. Ihr habt jenes schwere Portal aufgestemmt, gegen so viel Widerstand. Andere Brauer konnten dann entspannt hindurchschlendern. BrewDog macht nun dort weiter, wo Stone aufgehört hat – vielleicht mit zugänglicheren Bieren für diesen schwierigen und geizigen Markt. Also: Alles Gute, BrewDog! Wir erleben kein Ende und auch keinen Anfang. Wir erleben eine Staffelstabübergabe auf dem köstlichen Weg zur Biervielfalt.
Peter Eichhorn