Heimat braucht Bier
Die deutsche Bierbranche wandelt sich. Regionalität und Emotionalität rücken zunehmend in den Fokus der Biertrinker. Und der Brauer. Denn immer mehr von ihnen gründen Marken aus ihrer Heimatstadt neu, die während des Konzentrationsprozesses im 20. Jahrhundert schließen mussten. B&B-Autorin Sabina Esser macht sich Gedanken darüber, was das für die Entwicklung der deutschen Bierbranche bedeutet.
Schon als Kind hatte Ulrich Martin den Traum, einmal eine eigene Brauerei zu besitzen. Im Jahr 2007 hat er sich diesen Traum erfüllt. Der Braumeister hat eine seit Jahren leerstehende Brauerei in seiner unterfränkischen Heimat gekauft, renoviert und neu eröffnet. Mit großem Erfolg. „Am Freitag war die eigentliche Eröffnung, wir konnten den Ansturm kaum bewältigen“, erzählt Ulrich. „Der Ausstoß war nahezu doppelt so hoch wie in den Jahren, bevor die Gaststätte geschlossen hat.“
Heimatverbundenheit wird neu entdeckt – sowohl von den Biertrinkern als auch von den Brauern. Man spürt deren Lust auf Regionalität und Identität: Alte Gelände und Gebäude werden neu erschlossen. Alte Rezepturen werden herausgekramt und der heutigen Technik angepasst. Mit der Wiederbelebung einer alten Brauerei oder einer alten Marken kann so auch Altes mit Neuem verbunden werden. In etwa so: Altbier für den traditionsbewussten, India Pale Ale für den etwas experiementierfreudigeren Genießer. Der Kenner trinkt beides.
Kurzer Weg zum Verbraucher
Ein wichtiger Aspekt für den Erfolg einer neu gegründeten Brauerei ist die Versorgung in der Region: der Ausschank vor Ort, im besten Fall mit Gaststätte. Oder der Flaschenvertrieb im lokalen Getränkehandel. So kommt das frische Bier auf kurzem Weg zum Verbraucher.
Für manchen Brauer ist es zunächst nicht leicht, die Wiederbelebung einer alten Marke zu bezahlen. Einige Gründer finanzieren ihre Projekte mittels Crowdfunding oder suchen sich geldgebende Teilhaber mit einer Vorliebe für so ein handwerkliches Vorhaben.
Authentizität und Transparenz
Im Gegensatz zur „echten“ Brauerei brauchen sich Gründer, die lediglich eine Biermarke wiederbeleben, indem sie alte Rezepte im Lohn brauen lassen, keine Sorgen um Standortfinanzierung zu machen. Damit haben sie nicht so ein großes finanzielles Risiko. Bei solchen Etikettenbieren steht meist auch ein günstiger Preis im Vordergrund, da diese im Getränkehandel neben den Industriebieren bestehen sollen.
Oft ist aber unklar, wo das Bier produziert wird. Da erscheint das „hippe“ Etikett oft wichtiger als der Inhalt der Flasche. Aber der kritische Biertrinker will sich nicht täuschen lassen und setzt letztlich auf Authentizität und Transparenz. Alles andere bleibt Geschmackssache.
PS: In der Sommerausgabe von B&B, die Anfang Juni erscheint, stellt Sabina vier Brauer vor, die eine alte Biermarke aus ihrer Heimatregion neu belebt haben, und beschreibt die Erfahrungen, die sie dabei gemacht haben. Wer möchte, kann Bier & Brauhaus hier bestellen.
Sabina Esser