Saison und Bière de Garde
Belgisches Saison, das zusammen mit dem französischen Bière de Garde zu den Farmhouse-Ales zählt, war mir als Stil lange nicht richtig geläufig. Gewiss hatte ich mal eines getrunken, aber gedanklich hatte ich es irgendwo in die große Kiste belgischer Ales geworfen. Erst vor etwas mehr als zwei Jahren, als sich der Stil bei den Craft-Brauern langsam etablierte, hatte ich mein erstes bewusstes Saison-Erlebnis mit einem Citra Saison von Storm & Anchor und verglich dieses dann auch mit Klassikern wie Saison Dupont. Eine Zeit lang konnte man dann den Eindruck gewinnen, Saison könnte das „neue IPA“ der Craft-Beer-Szene werden. So weit ist es bisher nicht gekommen. Glücklicherweise hat sich aber auch Michael Jacksons (nicht der mit dem Moonwalk, der mit dem Bier) schon 1991 geäußerte Befürchtung, der Stil könnte bald aussterben, nicht bewahrheitet.
Geschichte
Saison ist ein traditionelles Bier aus Wallonien, also dem französischsprachigen Teil Belgiens, genauer aus der Provinz Hainaut (deutsch: Hennegau). Gebraut wurde es in den Wintermonaten beziehungsweise zum Ende des Winters – wenn keine Feldarbeit zu erledigen war – direkt auf den Bauernhöfen. Gedacht war es vor allem für die Erntehelfer und Feldarbeiter im Sommer als kräftigender Durstlöscher.
Das Saison durfte also nicht so stark sein, dass es die Arbeit beeinträchtigte, musste aber andererseits so kräftig und haltbar sein, dass es einige Monate der Lagerung unbeschadet überstehen konnte. Entsprechendes gilt natürlich auch für das Bière de Garde aus Nordfrankreich, das, verglichen mit seinem belgischen Bruder, mehr malz- als hopfenbetont und von etwas dunklerer Farbe ist. Der Name sagt dann auch nicht mehr aus, als dass sich das Bier für eine längere Lagerung eignet. Überhaupt dürften sich die historischen Farmhouse-Ales im 18. und 19. Jahrhundert von Hof zu Hof sehr unterschieden haben, und es ist alles andere als einfach, sie zu kategorisieren.
Biersortenbeschreibung
Vor den eigentlichen Beschreibungen noch ein paar Sätze zu den Hefen. Diese produzieren ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes phenolisch-muffiges Kelleraroma, das vom Beer Judge Certificate Program (BJCP) beim Saison nicht beschrieben wird, hier aber meines Erachtens sortentypisch ist. Die in Hobbybrauerkreisen gebräuchlichen Saison-Hefen, zum Beispiel die Lallemand Belle Saison, sind außerdem in der Lage, sehr hoch zu vergären, scheinbare Vergärgrade von 95 Prozent und mehr sind keine Seltenheit. Dies liegt daran, dass es sich wohl teilweise um domestizierte Saccharomyces cerevisiae var. diastaticus handelt. Diese sind in der Lage, Enzyme (Amylase, Amyloglucosidase) zu produzieren, mit deren Hilfe sie zusätzliche Dextrine und Stärke vergären können. Man könnte jetzt meinen, die hohen Vergärgrade würden zu körperarmen, leeren Bieren führen, dies ist aber nicht unbedingt der Fall: Zum einen sorgt der höhere Alkoholgehalt für mehr Mundgefühl, zum anderen produziert die Hefe – abhängig von der Gärtemperatur – auch relativ viel Glycerol, das dem Geschmack eine süßliche, klebrige Wirkung verleiht. Anscheinend wird Glycerol vermehrt bei niedrigeren Gärtemperaturen gebildet, während sehr warm (30 °C) vergorene Saisons sehr trocken sind und dabei auch mehr von der Muffigkeit aufweisen.
Die folgenden Beschreibungen erfolgen teilweise in Anlehnung an die des BJCP, diese sind zu finden unter: www.bjcp.org/2008styles/style16.php
Saison
Die Farbe der Saisons variiert stark von golden bis bernsteinfarben, hat aber oft einen hellen Orangeton. Einen Zusammenhang zwischen Stärke und Farbe gibt es nicht. Der Schaum ist sehr haltbar und hinterlässt oft ein Muster auf der Glasinnenseite („Brüsseler Spitzen“). Meist sind die Biere nicht ganz klar. Geruch und Geschmack sind vor allem fruchtig, oft Richtung Zitrus. Hopfenaromen sind oft eher moderat und meist blumig, die Bittere kann allerdings hoch sein, darf aber nicht die Frucht- und Gewürznoten überdecken. Zugesetzte lokale Gewürze oder Kräuter sorgen für spezielle Gewürzaromen, diese können aber auch von bei der Gärung entstandenen Phenolen herrühren und haben dann einen pfeffrigen oder nelkenartigen Charakter. Je nach Hefestamm kann auch eine gewisse Muffigkeit vorhanden sein. Saisons sind wenig malzig, ein mehr oder weniger starker Säureeindruck ist üblich, variiert aber stark, der Körper ist leicht bis mittel. Die starke Karbonisierung und die Bittere sorgen für einen trockenen Abgang.
Diacetyl, alkoholische Wärme oder Lösungsmittelcharakter sollen nicht vorhanden sein. Die Alkoholgehalte variieren stark und sind heute eher höher, als sie es vermutlich traditionell waren. Zum Brauen werden Pilsner, Wiener und Münchner Malz eingesetzt, auch die Verwendung von Kandiszucker oder Honig ist üblich. Hopfensorten wie Saazer, East Kent Goldings und Styrian Goldings sind typisch. Teilweise wird auch kalt gehopft, traditionell um den Bieren vor der Abfüllung etwas Frische zu verleihen, ganz besonders aber natürlich bei modernen Interpretationen.
- Hefe: obergärige Hefe
- Stammwürze: 12–16,5 °P
- Restextraktgehalt: 0,5–3,0 °P
- Hopfenbittere: 25–35 IBU, ausgewogen bis kräftig
- Hopfenaroma: gering bis moderat
- Vollmundigkeit: gering bis mittel
- Rezenz: hoch
- Bierfarbe: 12–36 EBC, golden bis bernsteinfarben
- Alkohol: 5–9,5 Vol.-%
Kommerzielle Beispiele: Saison Dupont, Ellezelloise Saison, Lefebvre Saison 1900, Saison de Pipaix, Saison Regal, Saison Voisin, Saison Silly, Southampton Saison, New Belgium Saison, Storm&Anchor Citra Saison
Bière de Garde
Beim Bière de Garde gibt es drei Varianten: blond, bernsteinfarben und braun. Meist weiße, gut haltbare Schaumkrone, Trübungen bei unfiltriertem Bier sind möglich. Der Geruch ist malzig süß, Toastcharakter kann vorhanden sein, wenige Ester, Geschmack ist überwiegend malzig, oft mit karamelliger Süße, vor allem bei den dunkleren Varianten. Die Hopfenbittere ist eher gering, der Malzcharakter überwiegt. Der Körper ist eher leicht bis mittel, der Abgang kann trocken sein, nie süß. Etwas grasiger Hopfengeschmack ist möglich, Diacetyl ist nicht vorhanden. Typisch ist der muffige Kellercharakter, der von brauereieigenen Hefestämmen oder Bakterien herrührt. Verwendet werden helle, Wiener und Münchner Malze, gelegentlich auch Karamellmalze und kontinentale Hopfensorten, außerdem kann Zucker eingesetzt werden, um einen trockeneren Abgang zu erreichen.
Hefe: obergärige Hefe (zuweilen auch untergärige Hefe warm vergoren)
Stammwürze: 15–20 °P
Restextraktgehalt: 2–4 °P
Hopfenbittere: 18–28 IBU, mild bis ausgewogen
Hopfenaroma: gering bis nicht vorhanden
Vollmundigkeit: mittel
Rezenz: hoch
Bierfarbe: 15–50 EBC, golden bis braun
Alkohol: 6–8,5 Vol.-%
Kommerzielle Beispiele: Jenlain Ambrée (bernstein), Jenlain Bière de Printemps (blond), Ch‘Ti Brun, Ch‘Ti Blond, La Choulette (alle drei Versionen), Saint Sylvestre 3 Monts (blond), Bière Nouvelle (braun), Castelain (blond), Brasseurs Bière de Garde (bernstein), Southampton Bière de Garde (bernstein), Lost Abbey Avant Garde (blond), La Goudale (blond).
Braurezept Saison
Mein erstes Saison, gebraut vor wenigen Wochen bei 39 °C im Schatten. (Die Sudkessel und die Brauer standen allerdings meist in der Sonne.) Das Bier wurde letztlich mit unterschiedlichen Hefen vergoren, das Saison machte nur knapp die Hälfte des Suds aus. Die Kostproben waren bisher vielversprechend, wie das Ergebnis ist, wird sich Mitte August zeigen.
Zutaten
für 170 l Saison mit
Stammwürze: 12 °P
Alkohol: 6,5 % vol.
Bittere: 30 IBU
Farbe: circa 25 EBC
105 l Wasser (Hauptguss)
130 l Wasser (Nachgüsse)
Anpassung der Restalkalität mit Milchsäure auf circa 0,5–1,0 °dH
Schüttung
10 kg Pilsner Malz
10 kg Wiener Malz
9 kg Pale-Ale-Malz
0,2 kg Röstgerste
1 kg Carared
0,3 kg Special B (oder Cara Aroma)
1,1 kg Melanoidinmalz
1 kg kernige Haferflocken
Hopfen/Gewürze
105 g Citra mit 14,1 % Alphasäure (Vorderwürze)
70 g Amarillo mit 6,9 % Alphasäure (Vorderwürze)
30 g Citra mit 14,1 % Alphasäure (Whirlpool)
20 g Amarillo mit 6,9 % Alphasäure (Whirlpool)
50 g Cascade mit 7,3 % Alphasäure (Whirlpool)
Optional je 340 g Cascade und Citra (nach der Hauptgärung)
Hefe
WYEAST #7311 – French Saison
Würzebereitung
Einmaischen auf 58 °C, sofort weiter heizen
Aufheizen auf 68 °C, Rast 70 Min.
Aufheizen auf 73 °C, Rast 15 Min. oder bis Jodnormal
10 Min. abmaischen bei 78 °C
Läuterruhe 15 Min., abläutern und Nachgüsse mit 78 °C
Kochen
Gesamtkochdauer 85 Min.
Ein Teil des Hopfens (s. o.) in die Vorderwürze, den Rest in den Whirlpool bei Würzetemperatur niedriger als 80 °C.
Gärung/Reifung
Anstellen und Hauptgärung bei circa 25 °C für anderthalb Wochen (oder bis keine Gäraktivität mehr vorhanden ist), optional eine Woche Kalthopfung mit 3–4 g Hopfen pro Liter Bier. Abfüllung mit Haushaltszuckerlösung oder Speise oder Zwangskarbonisierung im Keg auf circa 4,5 g CO2 pro Liter oder mehr (je nach Geschmack). Allerdings ist Vorsicht geboten, da die Hefe im Lauf der Zeit noch weitere Stärke verstoffwechseln kann. Kaltlagerung für mindestens vier Wochen.
Alexander Sperr