Stilkunde. Barley Wine

B&B-Stilexperte Alexander Sperr stellt den britischen Stil Barley Wine vor – ein Starkbier, das ursprünglich als Alternative für Rotweintrinker gedacht war.
Anchor Old Foghorn quer

Eine Alternative für Weintrinker

Der Winter naht. Da ist es schön, wenn es schön, wenn man ein passendes Bier zur Hand hat – insbesondere, wenn es sich um eines handelt, das man wirklich einmal mit Fug und Recht als Bierspezialität bezeichnen kann. In der Winterausgabe des Jahres 2015 hat B&B-Stilexperte Alexander Sperr den Barley Wine vorgestellt.

Glücklicherweise gibt es mittlerweile ausreichend Barley Wine zu kaufen, denn zum Selbstbrauen ist es zu spät. Wer sich aber demnächst daran macht, kann Weihnachten 2016 sicher einen gut ausgereiften eigenen Barley Wine genießen. Wenn man nicht gerade ein Parti-Gyling machen möchte, ist das auch gar nicht so schwer, und um es noch einfacher zu machen, ist wieder ein Rezept dabei.

Geschichte

Schon im antiken Griechenland gab es ein Getränk, das man mit Gerstenwein – also Barley Wine – übersetzen kann. Mit dem heutigen wird es wenig gemeinsam gehabt haben, außer eben, dass es ein alkoholisches Getränk aus Gerste war – Hopfen wurde vermutlich nicht verwendet. Auch, wenn in Englandschon lange sehr starkes Ale gebraut wurde, ist die Bezeichnung Barley Wine sehr neu. Als Erste hat sie die Bass & Co. Brewery in Burton-on-Trent im Jahre 1872 verwendet.

Der Plan war wohl ein sehr starkes, an Rotwein erinnerndes Bier, das für Weintrinker eine in England hergestellte Alternative sein konnte. Üblicherweise wurde damals das Parti-Gyle-Verfahren verwendet, um mit einem Braugang Biere verschiedener Stärke zu produzieren. Dazu wurden Vorderwürze und Nachgusswürzen getrennt gesammelt und anschließend in definierten Verhältnissen verschnitten.

Bei Bass wurden die Biere nach den Nummern der Durchläufe benannt, der Barley Wine Bass No. 1. Zielgruppe war vor allem die Oberschicht, und möglicherweise war es auch ein Ausdruck des Nationalbewusstseins, Barley Wine statt französischem Rotwein zu trinken. Ursprünglich waren Barley Wines dunkel, erst 1951 kam mit dem Gold Label von Tennant (heute Whitbread) eine goldfarbene Variante auf den Markt.

Amerikanischen Barley Wine gibt es erst seit 1975. Damals brachte die Anchor Brewing Company ihren ebenfalls nach der Parti-Gyle-Methode hergestellten Barley Wine Old Foghorn Barley Wine Style Ale auf den Markt. Der Beginn der kräftigen Hopfung begann wohl mit dem Bigfoot von Sierra Nevada: Angeblich antwortete die Brauerei auf die Bemerkung des Labors zur Bieranalyse, der Barley Wine sei zu bitter, mit einem „Thank you“.

Biersortenbeschreibung

Die folgenden Beschreibungen erfolgen teilweise in Anlehnung an die 2015 aktualisierten des BJCP, diese sind zu finden unter: http://www.bjcp.org/docs/2015_Guidelines_Beer.pdf

Englischer Barley Wine

Die Farbe des Barley Wine hat eine große Bandbreite von tiefgold bis dunkelbraun, ebenfalls variiert die Balance zwischen süß und bitter. Die Biere sind sehr malzig, oft mit Karamell- und besonders bei dunkleren Varianten auch Toffeecharakter. Eine starke Fruchtigkeit ist üblich, oft mit Anklängen an dunkle Früchte oder Trockenobst.

Das Hopfenaroma kann deutlich sein, meist blumig, erdig oder marmeladig. Gereifte Barley Wines können Sherry- oder Portweinaromen aufweisen. Der Geruch spiegelt sich im Geschmack wider, der Nachtrunk kann süßlich oder mäßig trocken sein. Der Körper ist voll, die Karbonisierung eher gering, alkoholische Wärme sollte vorhanden sein.

Hefe: obergärige Hefe
Stammwürze: 20 – 30 °P
Restextraktgehalt: 4,5 – 7,5 °P
Hopfenbittere: 35 – 70 IBU, mild bis kräftig
Hopfenaroma: gering bis moderat
Vollmundigkeit: kräftig
Rezens: gering
Bierfarbe: 16 – 44 EBC, golden bis dunkelbraun
Alkohol: 8 – 12 Vol.-% (oder mehr)

Kommerzielle Beispiele: Adnams Tally-Ho, Burton Bridge Thomas Sykes Old Ale, Coniston No. 9 Barley Wine, Fuller’s Golden Pride, J.W. Lee’s Vintage Harvest Ale, Robinson’s Old Tom

American Barley Wine

Wie immer deutlich hopfenbetonter als die englische Version, die Hopfenbittere muss aber nicht überwiegen. Verwendet werden amerikanische Hopfen mit Zitrus- und Fruchtcharakter, wobei alternativ auch englische Sorten verwendet werden können. Im Geruch und Geschmack Malzsüße und etwas Karamell. Die Bittere kann aggressiv sein, die Balance neigt immer in Richtung bitter, auch bei sehr malzigen Bieren. Der Nachtrunk ist süßlich bis trocken, Fruchtester eher moderat. Alkohol ist deutlich zu bemerken, der Körper ist voll. Röstgeschmack ist unerwünscht.

Hefe: obergärige Hefe
Stammwürze: 20 – 30 °P
Restextraktgehalt: 4 – 7,5 °P
Hopfenbittere: 50 – 100 IBU
Hopfenaroma: deutlich bis kräftig
Vollmundigkeit: kräftig
Rezens: gering bis moderat
Bierfarbe: 20 – 38 EBC, hell Bernstein bis mittleres Kupfer
Alkohol: 8 – 12 Vol.-% (oder mehr)

Kommerzielle Beispiele: Avery Hog Heaven Barley Wine, Anchor Old Foghorn, Great Divide Old Ruffian, Rogue Old Crustacean, Sierra Nevada Bigfoot, Victory Old Horizontal

Braurezept Barley Wine

Im August dieses Jahres trank ich einen genialen, wenn auch nicht ganz zur Jahreszeit passenden Barley Wine. Gebraut worden war dieser von den Berliner Hobbybrauerkollegen Txomin Onandia und Silviya Zdravkova, die nicht nur hobbymäßig Bier brauen, sondern gewerblich unterwegs sind (Brautopie). Die beiden waren so nett, das Rezept für Bier & Brauhaus zur Verfügung zu stellen.

Zutaten
für 25 Liter Barley Wine mit
Stammwürze: 22,5 °P
Alkohol: 10,2 % Vol.
Bittere: 61 IBU
Farbe: 33 EBC

20 Liter Wasser (Hauptguss)
18 Liter Wasser (Nachgüsse)

Schüttung
8,5 kg Pale Ale Malt (Maris Otter)
1,2 kg Crystal Malt 40 L (entspricht etwa Caramünch® II)
0,4 kg Crystal Malt 80 L (keine genaue Entsprechung, dunkler als Caramünch® III)

Hopfen/Gewürze
27 g Chinook (10,5 %) 90 Min.
25 g Columbus (13,6%) 60 Min.
20 g Simcoe (12,5 %) 20 Min.
15 g Simcoe (12,5 %) 5 Min.
2 g/l Simcoe im Kaltbereich

Hefe
White Labs WLP099 – Super High Gravity Ale

Würzebereitung
Eine Rast: 65 Minuten bei 65 °C
Anschließend 10 Minuten Abmaischen bei 78 °C

Kochen
Gesamtkochdauer 90 Minuten

Gärung/Reifung
Anstellen und Hauptgärung bei ca. 19 °C für 2 Wochen (oder bis keine Gäraktivität mehr vorhanden ist). Reifung für 6 Monate, ab dem 3. Reifungsmonat Eichen-Holzchips (Heavy Toast Oak Chips) ca. 1 g/l für 3 Monate. Abschließend eine Woche Kalthopfung mit 2 g Simcoe pro Liter. Karbonisierung auf 4,8 g/l.

Alexander Sperr

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