Schneiden, Drahten, Stupfen
In der Erntezeit sind in der Bierbranche alle Augen auf die Hopfenhöfe gerichtet. Denn jetzt muss innerhalb von wenigen Wochen geerntet werden, wovon sich die Hopfenbauern das gesamte Jahr über finanzieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie im Rest des Jahres nicht ebenfalls alle Hände voll zu tun hätten. Im B&B-Newsletter beschreibt der Geschäftsführer des Tettnanger Hopfenguts No20, Lukas Locher, in einer Serie, welche Arbeiten Hopfenbauern über das Jahr verrichten müssen, damit sie sich im September über eine gute Ernte freuen können. Folge 1: die Frühjahrsarbeiten.
Mitte März geht in Tettnang die neue Hopfensaison los! Wenn der Winter auch ein paar ruhigere Tage bringt, an denen man sich um die Gerüstanlagen oder die Wartung der Maschinen kümmern kann, so erfordert der Hopfen im Frühjahr gleich die volle Aufmerksamkeit. Im Vordergrund stehen dabei aufwendige Handarbeiten.
Das Hopfenschneiden
Die Wurzeln des Hopfens reichen von einem sogenannten Wurzelballen, der etwa 30 Zentimeter unterhalb der Erdoberfläche liegt, bis zu zwei Metern in die Tiefe. Aus diesem Wurzelballen heraus wachsen im März erste Hopfentriebe. Diese Triebe schneiden wir mit einem Spezialgerät, das an einen Traktor montiert wird und optisch einer großen Kreissäge ähnelt, auf etwa 10 cm unter der Erdoberfläche zurück. Dabei muss man aufpassen, dass man den Wurzelballen nicht verletzt. Ziel dieser Maßnahme ist es, den Austrieb zu reduzieren und den Hopfenstock zu verjüngen. Außerdem kann auf diese Weise das Risiko von Pilzinfektionen gesenkt werden. Der richtige Schnitt zum optimalen Zeitpunkt kann einen positiven Effekt auf den Ertrag und die Qualität unserer Hopfendolden haben.
Das Drahten
Ist der Hopfen geschnitten, geht es direkt weiter mit dem Drahten. Für jeden Wurzelstock werden in Abhängigkeit der Sorte ein bis zwei Steigdrähte oben an der Gerüstanlage aufgehängt. Das bedeutet Handarbeit auf acht Metern Höhe. Drei schwindelfreie Helfer knüpfen gewissenhaft einen Draht nach dem anderen an das Gerüst. Für ein zügiges Vorankommen sorgt der Fahrer in der Kabine, der den Tempomat des Traktors auf etwa 1 km/h einstellt.
Das Stupfen
Ist der Draht oben am Gerüst befestigt, gilt es im nächsten Schritt, das nach unten hängende Drahtende im Boden zu verankern: genau an der Stelle, an der sich der passende Hopfenstock befindet. Diesen Arbeitsschritt nennen wir „stupfen“. Als Werkzeug dient dabei eine Metallstange, das Stupfeisen. Wir wickeln das lose Ende des Drahtes um die Spitze des Stupfeisens. Ähnlich einem Spaten drücken wir anschließend die Spitze des Eisens mit dem umwickelten Draht in den Boden. Beim Herausziehen des Stupfeisens bleibt der Draht aufgrund der Wicklung stramm gespannt im Boden zurück.
Das Anweisen
Einige Wochen nach dem Zurückschneiden treibt die Pflanze ein zweites Mal aus. Damit sie am richtigen Draht emporwächst, muss sie angewiesen werden. Die wichtigste Regel bei dieser Arbeit ist: Hopfen wächst rechts herum, entsprechend dem Uhrzeigersinn. Es werden drei bis vier Triebe ausgewählt und von Hand um den Draht gewickelt. Alle überzähligen Triebe werden abgeschnitten. Das Anweisen dauert eine halbe bis eine ganze Minute pro Pflanze. Bei über 100.000 Pflanzen entspricht das einigen Arbeitsstunden für die Mannschaft.
Die oben genannten Arbeiten folgen teils dicht aufeinander. Da unsere acht verschiedenen Hopfensorten unterschiedlich stark austreiben und der Schnittzeitpunkt wetter- und sortenbedingt variieren kann, müssen manchmal viele Arbeiten zur gleichen Zeit ausgeführt werden. Die große Herausforderung ist es dabei, die Übersicht über die verschiedenen Wuchsstadien zu behalten, um zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Schritte durchzuführen. Nur bei guter Arbeit im Frühjahr gelingt ein erfolgreiches Hopfenjahr. Wir sind gespannt, welche Herausforderungen in dieser Hopfensaison 2019 noch auf uns zu kommen. Im B&B-Newsletter werden wir weiter von unserer Arbeit auf dem Hopfengut No20 berichten.
Lukas Locher